Flashlight auf die Kölner Musikszene bei der 9. Kölner Musiknacht 2013 am Samstag, den 14. September 2013. Eine Nacht lang mit einem Ticket durch die freie Musikszene der Stadt hoppen: Auf über 25 Bühnen gibt es mehr als 100 Konzerte aus allen Sparten. Da ist für jeden Musikgeschmack etwas dabei – und manch einer wird entdeckt vielleicht auch einen ganz neuen Sound für sich entdecken.
Sexy Volkslieder, groove Orgeln oder die Möglichkeit, seine Beschwerden im Chor in der Kölner Philharmonie loszuwerden – all das ist möglich bei der Kölner Musiknacht. Das Programm bestreiten rund 400 Musiker in 100 Sets in fünf Sparten: Alte Musik, Neue Musik, elektronische Musik sowie Jazz und Improvisation und, relativ neu, Worldmusik. Bei jeder Musiknacht gibt es ein übergeordnetes Thema und eine bestimmte Sparte, die im Vordergrund steht. 2013 heißt das Thema „Eine Stadt: Paradies und Hölle“, eine Zeile aus den Hollywood-Elegien von Bertolt Brecht. Man darf gespannt sein auf die musikalische Umsetzung und die überraschenden Facetten dieser klingenden Kölner Nacht.
Kulturnächte gibt es in Deutschland viele, doch was die Kölner Musiknacht zu einem absolut einzigartigen Ereignis dieser Art macht, ist sowohl seine Entstehung als auch seine Kuratierung. 2005 als reine Musikerinitiative aus der freien Szene heraus entstanden, wird das Programm ganz „altmodisch“, nämlich demokratisch kuratiert: Interessierte Musiker bewerben sich mit ihren Projekten für die jeweilige Musiknacht direkt bei den zwei- bis vierköpfigen Programmgruppen. Diese spartenweise zusammengeschlossenen und aus Initiativmitgliedern und Interessierten zusammengesetzten Programmgruppen wiederum treffen eine Vorauswahl, die sie dem Plenum mit Kurzbegründung vorstellen. Jeder teilnehmende Kölner Musiker kann in unbeschränkt vielen Projekten auftreten. Er bekommt aber nur maximal ein und ein halbes Honorar. Im Gegenzug erhalten die Musiker die Möglichkeit, im Programmheft für sich selbst und ihre Webseite zu werben. Da die Musikszene Kölns voll von Prominenten ist, finden sich bei der Musiknacht immer wieder Gelegenheiten, genau diese hier wiederzusehen. Manche entstammen der freien Szene Kölns und sind der Stadt immer noch verbunden. Der Jazzposaunist Niels Wogram ist zum Beispiel einer von ihnen. Heute gilt er als einer der berühmtesten der Welt – zu sehen ist er bei der Kölner Musiknacht 2013.
Wie alles begann: Opernempfang oder Generalstreik?
Kreative und Initiativen gab es in Köln schon immer. Und ein ausgesprochen hohes musikalisches Niveau. Nicht zufällig entstand hier in den 1970er-Jahren die erste Hochschule für Musik in Deutschland. 1999 formierte sich der „Initiativkreis Freie Musik” (IFM) als Interessengemeinschaft freischaffender Musiker in Köln: Ensembles, Vereinen, Initiativen, Veranstaltern und Spielstätten schlossen sich zusammen, um das Gespräche mit der Kulturverwaltung der Stadt, dem Kulturministerium des Landes NRW, dem WDR, der Hochschule für Musik und Tanz Köln sowie weiteren Einrichtungen, die den Rahmen des Kölner Kultur- und Musiklebens mitbestimmen, zu suchen.
„Die erste Sitzung des IFM fand im ganz kleinen Kreis im LOFT in Ehrenfeld statt“, erinnert sich die Musiknacht-Projektleiterin Maria Spering. Zunächst organisierte man öffentliche Empfänge, unter anderem im Opernfoyer, anlässlich der städtischen Haushaltssitzungen, um nicht nur auf die eigene Existenz und Qualität, sondern vor allem auf die miserable finanzielle Situation der freien Musiker aufmerksam zu machen. Ziemlich bald entstand Unzufriedenheit mit diesen Aktionen, denn sie sorgten nicht für die gewünschte Öffentlichkeit. Hitzig sei es hergegangen in den Diskussionen, so Spering. Sie war damals die einzige Frau mit Veranstaltungserfahrungen unter lauter Musikern. Wie heute kämpfte der anarchisch kreative Geist gegen das sogenannte Machbare. Der radikale Vorschlag eines Generalstreiks der Kölner Musikszene war bald vom Tisch zugunsten einer neuen Aktionsform: dem Konzentrieren der Kölner Szene an einen einzigen Tag. Die Musiknacht war aus der Taufe gehoben.
Glücklicher Zufall war, dass diese Gründungsaktivitäten der Musiknacht in ein Jahr fielen, in dem sich Kölntourismus das Motto Musik auf die Werbefahnen geschrieben hatte. Durch die Vermittlung des ifm-Sprechers Robert von Zahn entstand die Bereitschaftder Agentur, für die Musiknacht eine Citylight-Plakatierung in Höhe von 30.000 Euro zu spenden. „Damit erreichten wir mit einem Schlag das, was wir mit unserer Aktion wollten: eine große Öffentlichkeit, ganz ohne Werbeetat, den wir ja nicht hatten“, so Maria Spering. „Dazu kam, dass Kölntourismus uns noch einige kleinere, zusätzliche Werbeeinheiten geschenkt hat.“ Der potente Werbepartner ist bis heute an der Seite der Musiknacht-Organisatoren. Wer also als Nichtkölner am zweiten Septemberwochenende einen Trip in die Domstadt plant und ein Musikevent sucht, findet die Kölner Musiknacht auch auf der Webseite von Kölntourismus.
Ebenso werben alle 25 Veranstaltungsorte der Musiknacht wiederum auf ihren eigenen Webseiten. Die Konzerte finden nur an solchen Orten in der Innenstadt statt, die auch sonst Livemusik im Angebot haben, also keine Kneipen, Restaurants oder Theater. Durch die Nähe der Veranstaltungsorte zu einander können Musikliebhaber bequem zwischen den Konzerten „hoppen“. Die Musiknacht gilt heute als „DAS“ Musikszene-Projekt, Oberbürgermeister Roters schreibt dem IFM ein Grußwort ins Programm. Das städtische Musikreferat fördert die Musiknacht ebenso wie die städtische Stabstelle Events und der WDR via Übertragungsrechte. „Das ist das Geschenk der freien Szene an die Stadt“, sagt Maria Spering selbstbewusst.
Das detaillierte Programm der 9. Kölner Musiknacht ist ab 26. Juli online unter www.koelner-musiknacht.de zu finden.
Beate Schenk