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Urbane Kunst auf dem Prüfstand

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Was tut sich ein Jahr nach dem „Urbanen Kongress“ in Köln? – VON IRIS THEN –

„Eigentlich sind sich alle einig, dass sie da weg muss“, sagt Kay von Keitz (Kurator und Mitbegründer von plan) und meint damit die Kreuzblume, das zehn Meter hohe, schwarze Betonmodell der Domspitze vor dem Kölner Dom. Dies war eines der Ergebnisse aus dem „Urbanen Kongress“, den er vor einem Jahr zusammen mit Markus Ambach (Künstler, Kurator und Gründer von MAP) in Köln veranstaltete. Im Rahmen des vom Kunstbeirat der Stadt Köln initiierten „StadtLabors“ ging es dabei um die Entwicklung eines kuratorischen Konzepts für die Kunst im öffentlichen Raum.

Zunehmender Vandalismus, Verwahrlosung und Diebstahl, sowie städtebauliche Veränderungen, Umnutzungen, Abrisse und Umbauten öffentlicher Gebäude bedrohen heutzutage die Kunstwerke mehr denn je. „Man spürte diesen Druck – wir haben diese Sachen und sie werden schlecht behandelt – und andererseits die Problematik, was kann und soll denn überhaupt neu hinzukommen“, beschreibt der Kurator die Motivation des Kunstbeirats zu dem Projekt. Man wollte die Haltung der Stadt gegenüber Kunst im öffentlichen Raum grundsätzlich neu regeln und dazu langfristig von einer Reihe von Teams sämtliche Kunstwerke im Stadtgebiet neu in den Blick nehmen lassen.



Markus Ambach und Kay von Keitz waren damals zuständig für die grundlegende Konzeption des Gesamtprojekts und die prototypische Bearbeitung des ersten Planquadrats. Im Zentrum von Köln, zwischen Dom und Opernensemble, erarbeiteten sie anhand exemplarischer Objekte wie der Kreuzblume Empfehlungen für den Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum. Das so entwickelte Konzept sollte in Zukunft als Basis für weitere Teams und deren Bearbeitungen im „StadtLabor Köln“ dienen. Mit Hilfe von Fachleuten und einem interessierten Publikum wurde darüber diskutiert, welche Skulpturen repariert, welche versetzt und welche entfernt werden müssten.

Kunst und Raum sollten aufeinander Bezug nehmen

So befand man beispielsweise, dass die von Otto Piene 1966 konzipierte kinetische Plastik „Licht und Bewegung“ in der Hohen Straße restauriert und die Kreuzblume am Dom versetzt werden müsse. Die eigentlich temporär errichtete und dann als Touristenfotohintergrund stehengebliebene Rekonstruktion der Domspitzenverzierung, hieß es, nehme dem feinsinnigen Taubenbrunnen von Ewald Mataré aus dem Jahre 1953 alle Wirkung. Um jedoch nicht einfach abzuräumen, was gerade keinen Sinn macht, wurde für die Errichtung eines „Archivs für ungenutzte Kunst“ am Roncalli-Platz plädiert. Und auch darüber, wo aktuelle Kunst aktiv werden könnte, ohne gleich für immer und ewig den Raum zu beanspruchen, wurde debattiert. Denn in Zeiten der raschen Veränderungen, so meinten die Kuratoren, gelinge eine Sinnstiftung der Kunst im öffentlichen Raum oft nur temporär.

„Wir fänden es besser, wenn mal überlegt wird, welche Plätze überhaupt dafür geeignet wären, dass Künstler dort etwas machen können, und nicht nur deshalb etwas gemacht wird, weil gerade etwas gebaut wird“, sagt dazu Kay von Keitz. Beim „Urbanen Kongress“ stellten die beiden Kuratoren nämlich fest, dass viele der Kunstwerke durch bauliche Veränderungen ihre ursprüngliche Bedeutung verloren hatten. Kunst und Raum sollten aber eigentlich aufeinander Bezug nehmen, so das Ideal. Doch die Wirklichkeit schaut oft anders aus.

Aktuelle Diskussionen drehen sich verstärkt um Privatisierung und Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. Da wird Kunst schnell funktionalisiert und ist nicht mehr so autonom, wie man sie aus anderen Zusammenhängen kennt. Hinzu kommt noch: Die Werbung ballert alles zu. „Das Verhältnis zwischen der Nutzung des öffentlichen Raums in dieser Beziehung und andererseits der Kunst ist schon komisch“, meint der Kurator. Dieser Ansicht ist er nicht alleine. Auch andere Kunstengagierte bemängeln das Ungleichgewicht und setzen mit ihren Aktionen Zeichen.

Ob mit Urban Gardening oder Streetart-Aktionen, wie beim Ehrenfelder Kunstverein artrmx e.V. (unser Bericht in der seconds-Ausgabe vom Mai) mit seinem Urban Art Festival CityLeaks. Mit internationalen Streetart-Künstlern, die Häuserwände in Köln bemalen sollen, plant der Verein auch in diesem Jahr im September mit einer zweiten Auflage des Festivals, wieder gegen die zunehmende Kommerzialisierung des öffentlichen Raums anzugehen.
„Ich fände es besser, wenn Künstler eingesetzt würden, die sich umfassender mit dem Stadtraum beschäftigen“, meint Kay von Keitz zu Aktionen wie dieser befragt. Zwar bewegten sich Projekte wie CityLeaks durch die Nutzung privater Flächen an der Grenze von Kunst im öffentlichen Raum. Dennoch gehe es auch hier um eine öffentliche Wirkung. Deshalb fände von Keitz es besser, wenn das Internationale dabei nicht so sehr im Vordergrund stehe.
„Wenn die Ideen gut sind und gute Projekte entstehen, dann ist das gute Werbung für die Stadt und nicht umgekehrt.“ Manchmal tue sich eben der Verdacht auf, dass Köln durch die Unterstützung solch international ausgerichteter Projekte schnell wieder zu nationalem und internationalem Ansehen kommen wolle und dabei das eigene bereits vorhandene Potential übersieht.

Anspruch und Wirklichkeit

Dieses Potential von Kunst im öffentlichen Raum zu erfassen, zu bergen oder neuen Bestimmungen zuzuführen, war und ist eines der Hauptziele des „StadtLabors“. Inzwischen sind Kay von Keitz und Markus Ambach mit der zweiten Phase des Projekts beauftragt. Die jedoch, meint der Kurator, sei der weit schwierigere Part.
Im beschlossenen Haushalt für 2013 wurden in NRW die Mittel für die kommunale, kirchliche und private Denkmalpflege von 11,4 auf 9,4 Millionen Euro gesenkt. Die Finanzplanung für 2014 sieht bereits eine Kürzung um weitere sechs auf nur noch 3,4 Millionen Euro vor. Solche finanziellen Einschnitte machen die geplante Umsetzung der Ergebnisse aus dem „Urbanen Kongress“ für die Kuratoren schwierig. Dazu kommt, dass sie mit ihren Entscheidungen in den Mühlen der Stadt hängen, denn gerade im Bereich der Urbanen Kunst sind viele Ämter der Stadt involviert.

„Wir arbeiten daran, die Erlaubnis zu bekommen, dass die Kreuzblume abgebaut wird. Zum anderen müssen wir schauen, wie das technisch geht. Die nächste Frage ist, ob es dafür überhaupt einen alternativen Standort gibt.“ Der Vorsitzende des Kunstbeirats habe den Vorschlag gemacht, die Kreuzblume zu versteigern, erzählt von Keitz, doch man sei sich nicht sicher, ob das auch im Sinne der Stifter sei. Um eine Entscheidung herbeizuführen, wird es deshalb Ende Juni noch einmal eine öffentliche Informations- und Gesprächsveranstaltung zum Thema „Urbaner Kongress – Anspruch und Wirklichkeit“ geben. Vielleicht wird man das schwarze Betonmodell der Domspitze aber auch erst einmal in das geplante „Archiv für ungenutzte Kunst“ stellen. Anfang April bis Mitte Mai nächsten Jahres soll dieses nämlich am Roncalli-Platz probehalber mit ein paar Skulpturen eingerichtet werden.

Die beiden Kuratoren erhoffen sich von dem Archiv, dass es Anlass geben wird, auch in Zukunft immer wieder Debatten über die Kunst im öffentlichen Raum zu führen. Schließlich ist dieser Raum unser aller Raum und nicht der einer Verwaltung. Damit aus dem aktuell wahllosen Nebeneinander eine Choreografie von spannungsreichen Bezügen und sinnfälligen Nachbarschaften entsteht, ist jedoch nicht nur Reden, sondern auch Handeln gefragt. Warum dies in Köln so schwer fällt, dazu hat von Keitz seine eigene Theorie:
Er glaubt, der Kölner sei im Grunde ein Höhlenmensch. „Wenn der in seiner Kneipe ist, reicht ihm die Projektion“, schmunzelt er. „Er kann dort im Dunkeln stehen und Lieder über das schöne Köln singen. Solange er die Welt zusammen mit seinen Freunden imaginieren kann, ist ihm eigentlich ziemlich egal, wie es da draußen aussieht.“ Bleibt zu hoffen, das ist nur Theorie.

Das diesjährige Motto lautete:
„Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?“


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