In den socialmedia-Kanälen laufen regelrechte battles, wer als erste, wo und wie Zugang zu einem „Lost Place“ errungen hat. Hierfür werden Gesetze und die gängigen Vorsichtsmaßnahmen einfach ausgeschaltet. Selbst Fernsehsender haben eine neue Zielgruppe entdeckt und bieten ausgesprochenen Draufgängern eine Plattform ihr akrobatisches Können aufzuführen – Nachahmer gesucht!
Die Idee des Urban-exploring ist nicht mehr im Wandel, sondern das heutige Wirken unterstreicht mit der geschaffenen Öffentlichkeit in socialmedia und Fernseh-TV die Gesetzlosigkeit der Sache an sich. Versuchen noch gemäßigte, kultige, Autoren und Verbände den Sinn und Zweck, sowie ein Abbild eines kulturellen Schaffens wiederzugeben, werden die Adressen währenddessen als Trophäen wie in einem Memory-Spiel auf socialmedia abgefeiert und getauscht.
Die Plattform: VIMUDEAP der HTW Berlin, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, gilt noch als vorzeigbare teils wissenschaftliche Dokumentation weltweit, mit zahlreichen Adressen und einer Landkarte zur Übersicht.
Auch die Fotocommunity auf Flickr, seit Entwicklung der socialmedia Plattformen Facebook, Instagram und Twitter etwas ins Hintertreffen geraten, bietet das wohl größte öffentliche Abbild leer stehender Gebäude auf dieser Welt. Eine Zusammenstellung findet Ihr hier. Natürlich wird auch hier nicht mit Superlativen gespart.
In der Realität werden aufwendig verschlossene Objekte, die im hohen Maße einsturzgefährdet sind von Szene-Leuten geöffnet ohne zu ahnen welche Folgen dies für nachfolgende Besucher oder zufälligen Entdeckern haben kann. Fehlende Geländer, geöffnete Aufzugschächte, durchgefaulte Trägerbalken sind keine Hindernisse mehr, sondern nennen sich Herausforderungen.
Knochenbrüche, Schürfwunden sind aber keine Trophäen sondern Zeichen eines sehr unbedachten Verhaltens. Für die einen ist es der „Kick“, bei anderen verursacht es Kopfschütteln. Sicherheitskräfte bewachen leer stehende Gebäude, um den Leichtsinn anderer Menschen Einhalt zu gebieten und es beginnt ein „Räuber und Gendarm“ Spiel.
Ruine oder doch ein Lost Place – Die gesundheitsgefährdende Entwicklung einer Szene, die sich mit Socialmedia selbst den Gar ausmacht.
Wo sich früher mal in einem Monat ein Lost Place Explorer in den Landschaften von Ostbelgien verlaufen hatte, tummeln sind heute am Wochenende oftmals Hunderte. So der Bauer Nyssen aus Ameln. An eine spirituelle Begegnung mit einem verlassenen Ort ist hierbei keineswegs mehr zu denken.
Den meisten Bauern geht dies einfach nur auf die Nerven, Kaputte Zäune, Abfall, Runen, Kondome, Reizwäsche, Sexfilmchen – all das passt einfach nicht in die eingefriedete Landschaft. „Sollen sie doch in den Stadtruinen spielen, dann müssen sie dafür nicht so weit fahren“ meint Bauer Nyssen.
Diese und ähnliche Ansichten teilen viele – die Gesetzlosigkeit erzeugt neue Verbote und drakonischere Strafen, wogegen sich kulturelle Urban-Explorer zu Wehr setzen. Und so einwickelt sich ein regelrechter Ringkampf zwischen Trophäensammlern, Adressentauschern, You-tube Filmern und einer Ursprungs-Szene denen es mehr um die Spiritualität geht ein Zeiterlebnis einzufangen zu können.
Natürlich gibt es auch in Köln einige Schmuckstücke der Zeitgeschichte weitab von Museen und Kulturgedenkstätten. Da hängt ein Kronleuchter mitten in den Abwasserkanälen Kölns – Ehemalige Preußische Verteidigungsanlagen schlummern in Porz in einem Wäldchen oder man besucht ein verlassenes Reiterschloss in Worringen. Für den Kick oder eben für besondere Zeiterlebnisse.