VON ANDEAS BASTIAN – Unser ganzes Leben dreht sich ums Überleben und um Aufmerksamkeit. Durch die vielen Bindungen und Windungen ergibt sich rein zufällig ein Gefühl, das man medizinisch als „am-Rande-einer-Psychose“ bezeichnet, persönlich ist es jedoch eine willkommene Abwechslung zum täglichen Stress. Mal so richtig die Sau rauslassen, sich treiben lassen, Probleme und Problemchen wegblasen, Geld ausgeben, das man nicht hat. Sinnlos lächelnd durch den Park laufen, jeden einzelnen Federkern der Matratze kennenlernen, seiner Welt ein Stück weit entrücken und was man sonst noch in der schönsten Stadt Deutschlands so veranstalten kann.
Köln, do bes e Jeföhl
Entweder ist die Stadt dauerbesoffen oder völlig durchgeknallt; so etwas von sich zu behaupten, kann man meinen, aber tatsächlich ist es nach einer Forsa-Umfrage so, dass sich die Menschen in Köln sehr gerne verlieben. Nicht umsonst gibt es alle möglichen Veranstaltungen zu diesem Thema. Köln für Verliebte, Affärenzimmerchen und Hotels noch und nöcher.
„Isch han dich gewarnt“ – so der Lieblingsspruch meiner Mutter, wenn irgendwas in die Hose gegangen war. Und woran man bei Beziehungsfällen in Köln so alles denken sollte, das hört man in den vielen Liedern der Bläck Fööss, die uns anscheinend ihr ganzes Leben lang warnen und aufklären möchten. Ab 2090 gibt es sie bestimmt als Blechpolizisten auf Kölner Straßenkreuzungen.
Mir klääve am Lääve
Der größte Stress beim Beziehungsfinden ist wohl der Entzug, obwohl man sich nachher ständig auf der Pelle hängt. Der Tag hat in dieser Beziehungsepoche anscheinend mehr als 24 Stunden. Weil irgendwie kommt es einem wie eine Ewigkeit vor, wenn man auf seine Liebste wartet. Ständig überfällt die Verehrte des Mannes Gedankenwelt und fährt Rollschuhe über die eigenen Gefühle.
Man könnte die Welt völlig neu erfinden; es erscheint zumindest nicht unmöglich. In dieser Phase der Beziehung könnte man jeden Moment einrahmen und ins Wohnzimmer hängen. Schmachtend triefende Liebesbriefe von einer nie da gewesenen Dimension.
Dass dies wohl sehr oft in Köln vorkommt, sieht man an den zahllosen Liebesschlössern an der Hohenzollernbrücke in Köln. Der ewige Bund im Sternenbild der Liebesschlösser. Ein Schloss bekommt man zum Beispiel auf der Deutzer Freiheit bei „Köln-Buch“, einem supernetten Antiquariat. Auch unser Köln-Magazin ist übrigens dort erhältlich. Den frisch Verliebten wird dort gerne geholfen, Herzen in allerlei Farben und Ausführungen zu erstehen.
Kunststoffschlösser sind zwar out, doch die mittlerweile auf 16.000 Liebesschlösser angewachsene Schlüssellochschar beeinträchtigt die Statik der Hohenzollernbrücke wohl nicht ganz unerheblich. Aber es wurde noch kein Liebesstatiker gefunden, der all die Schlösser aus Bindungen, die noch funktionieren, und solchen, deren Funktion wohl erloschen ist, begutachten würde. Denn die Geschichten, die diese Schlösser zu erzählen haben, wiegen schwerer als jedes Eisen.
Wir empfehlen jedem Liebesschlosspaar, sein Schloss an den oben genannten Terminen zu „schließen“, denn an diesen Abenden kann man im „Theater der Keller“ der Wahrheit ins Auge blicken und sich bei einem leckeren Kölsch auf das gefasst machen, was nun auf einen zurollt.
Die Revue „Liebesschlösser“ hat es in sich. Sie erzählt die Geschichten aus tausendundeinem Schloss. Für diejenigen, die es gerade verschlossen haben, aber auch für solche im Präventivbereich ist der Vorschlossunterricht nicht zu missachten.
Deutsche, kölsche und englische Songs – teils a cappella, teils in Neoprenanzügen vorgetragen – helfen einem, im Notfall vielleicht nicht im Trüben zu fischen und für alle Beziehungsrelevanzen der Zukunft eine Lösung parat zu haben.
Highlight ist die Interpretation von Dreamer: „Take a dream on a Sunday, take a life, take a holiday, take a lie, take a dreamer, take a bottle of lager Koelsch, love your girl and live your life… this ist Cologne!“ Kultstatus, die Begleitung am Piano; man möchte förmlich aufspringen und den alten Zeiten Tribut zollen; doch für den Tribut sorgen die Protagonisten, mit einer Zeitreise durch die Musikwelt der Neunziger und den Millennials-Clouds des neuen Jahrtausends. Jackson, Price, O`Conner. Mit 60 Minuten über die Ereignisse an der Hohenzollernbrücke und solche, die es werden könnten. Und für alle Fälle, wenn uns die Frage überkommt: