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Kunst Musik Suppe

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Zollstock – ein Ort, an dem Kunst geboren wird, an dem sich die freie Kunstszene trifft und austauscht: Das ist eine Vision, die noch befremdlich klingt, gilt der Stadtteil in Sachen Kunst eher als unbeschriebenes Blatt. Dennoch behauptet sich seit zwei Jahren in der „Halle Zollstock“ eine Veranstaltungsreihe mit dem Namen „Kunst Musik Suppe“.

suppe02Man muss schon etwas Entdeckergeist mitbringen, um zu „Kunst Musik Suppe“ zu gelangen: Gottesweg 79, in der Dunkelheit schimmert eine unspektakuläre Eisentür. Wer hindurchgeht, gelangt auf den Hof eines Fliesenstudios, durchquert man diesen und biegt um eine Ecke, steht man vor der „Halle Zollstock“. „Ja, die Halle liegt versteckt und wir dürfen freundlicherweise den Hof als Zugang nutzen. Aber es finden immer genug Leute zu uns, die sich für Kunst jenseits von Galerien, Museen und Clubs interessieren“, betont Initiatorin Ellen Muck. Sie veranlasste bereits die „Artemiade“ im Indianerdorf, leitete selbst jahrelang eine Galerie und weiß, wie schwer es für Künstler – egal ob Maler oder Musiker – sein kann, Öffentlichkeit zu bekommen. Deshalb gibt es das Projekt in der Halle. Ein „Off-Space“, ein Ort, an dem Kunst nicht starr wie in Museen oder etablierten Galerien gezeigt wird.

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Keine Hemmklischees für Künstler und Besucher

Ellen Muck ist auch Mitbegründerin des Vereins „Zollstockkultur“, der sich ein Mal im Monat mit „Kunst Musik Suppe“ präsentiert. Ziel ist es, die Kultur in Zollstock zu fördern, ins Veedel hinein- und herauszutragen. „Es gibt so viele Ideen, die darauf warten, entdeckt zu werden. Vieles, das im Atelier entsteht, bleibt dort meist auch. Das ist schade“, erzählt die Künstlerin. Daher gibt sie Künstlern ein Mal im Monat die Gelegenheit, sich in ihrem Atelier zu präsentieren.
Nebenbei sieht man auch Mucks „Altäre“, die sich nicht einfach wegräumen lassen: In Regalen ruhen Kellen, Püppchen, Insekten aus Metall. Alles allerlei Alltagsdinge, die sich bei näherem Hinsehen als erschreckend morbide entpuppen. Zusätzlich zu ihrem Atelier investiert Muck viel Energie und Zeit in das Projekt: „Egal, denn ich liebe es, wenn so viele Menschen unkompliziert zusammenkommen.“ Schüler, Studenten, Angestellte oder Rentner, unterschiedlichste Kulturen und Stile kommen zu Kunst, Musik und Suppe in der Halle zusammen. „Genau dann wird Kunst geboren, im Austausch und in der Gemeinsamkeit. Das ist jedes Mal äußerst spannend.“

Drei Räume umfasst das Forum. Schon im Eingangsraum sorgt schummriges Kerzenlicht für eine stimmungsvolle Atmosphäre. Im zentralen Ausstellungsraum steht ein Sofa in der Mitte, das dazu einlädt, den Blick schweifen zu lassen. Im Moment sind gerade Werke der Konzeptkünstlerin Martina Biesenbach zu sehen. Ihre Bilder setzten Alltägliches in ein außergewöhnlichen Kontext. Wie etwa das Schloss einer Klarsichtbox, zu der der Schlüssel fehlt. Oder Texte über Menschen, die Biesenbach verärgert haben: Wild übereinandergeschrieben, sodass man die Sätze schwer entziffern kann. Aus der Entfernung betrachtet, erahnt man in dem Wirrwarr allerdings einen Kopf oder ein Gesicht. „Meine Kunst entsteht aus dem Alltag und dem Erleben“, erklärt die Konzeptkünstlerin. „Deshalb bin ich hier genau richtig. Leute treten mit mir in Kontakt, entwickeln Ideen und geben mir Inspiration. Keiner hat Hemmungen, über meine Arbeiten zu sprechen, egal ob Experte, Laie oder Banause. Es ist einfach unkompliziert“, freut sie sich.

Selbst ist der Mensch – und mittendrin

Auch im letzten Raum für Musik und Suppe hängen Kunstwerke. Menschen sitzen auf Sofas oder umringen die Theke in der Ecke, Schüsseln klappern, Gläser klirren, eine Live-Band baut auf. Im Mai heizte Besuchern das „Allewelt-Trio“ mit Folk und Groove und Einflüssen aus Georgien und dem Balkan ein, während im Juni „The Lucky Bag Band“ das Publikum von den Sofas lockte. Im Anschluss an die Auftritte der jeweilige Bands haben sich Jam-Sessions etabliert: Jeder kann mit dem eigenen Instrument mitspielen – gelegentlich bis tief in die Nacht.

Und die Suppe? Direkt neben der Band dampft es aus einem riesigen Topf, der auf einer kleinen Kochstelle steht. Zu jeder Veranstaltung kommt ein neuer Koch mit neuer Suppe. „Das ist ‚qianma‘, eine asiatische Gemüsesuppe, die ich frisch gekocht habe“, erzählt Morris Mühlpointner. Für den Schüler ist kochen Kunst: „Immer neue Gewürze und Zutaten so zu kombinieren, dass sie ideal harmonieren, ist kreativ.“ Daher kommt auch der Veranstaltungsname: „Suppe ist die schmackhafte Ergänzung zu den bisher angesprochenen Sinnen Hören und Sehen“, erläutert Ellen Muck. Auch Adrian Wellmer, Musiker und Lehrer, ist für das Konzept entbrannt. „Jedes Mal neue Gesichter. Die Leute wollen sich treffen, sich mitteilen und etwas von sich zeigen“, sagt er. Gerade das Unkonventionelle und Lebendige gefällt ihm, das könne sich in Zollstock weiter verbreiten. Einen Ehrenfeld-Effekt will er allerdings nicht: „Was da unkonventionell anfing, hat sich etabliert, kommerzialisiert und erstarrt langsam.“ Kommerziell ist „Kunst Musik Suppe“ nicht. Wem es gefällt, der kauft Suppe, spendet für die Band oder kauft ein Kunstwerk direkt vom Künstler. „Die Einnahmen aus Suppe und Getränken reichen meist zur Kostendeckung“, sagt Ellen Muck. „Wir bringen Menschen zusammen und Kultur nach Zollstock. Genau so soll es sein.“

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Halle Zollstock
Gottesweg 79
50969 Köln

www.halle-zollstock.de

/Andrea Neuhoff

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