„Manchmal wünsch‘ ich mir, ich wär‘ Ingenieur geworden“ – VON SEBASTIAN ZÜGER – Auch Jahre nach seinem Abgang ist der Name Knacki Deuser noch fest mit „Nightwash“ verknüpft, einem der erfolgreichsten Comedy-Formate im deutschen Fernsehen. Inzwischen aber nennt sich der ehemalige Moderator selbst lieber Stand-up-Artist,
tourt mit seinem Soloprogramm durch Deutschland und den Kölner Karneval und sucht sein ganz persönliches Plätzchen irgendwo zwischen Comedy und Kabarett.
Seconds: War das Publikum anfangs nicht sehr irritiert, als du selbst aufgetreten bist, weil sie dich eigentlich nur als Moderator kannten?
Knacki Deuser: Ja, total. Bis heute noch. Moderator bin ich eigentlich nur geworden, weil ich Stand-up nach vorne bringen wollte. Aber als ich dann selbst auf die Bühne wollte, musste ich konsequent sein und aus dem Moderatorengeschäft komplett rausgehen, damit sich dieses öffentliche Bild neu entwickeln kann. Das dauert jetzt auch noch ein, zwei Jahre. Man muss Geduld haben.
Womit verdienst du denn gerade dein Geld?
Hauptsächlich mit Auftritten. Ich mache im Frühjahr und im Herbst jeweils eine Tour von fünf Wochen. Und seit zwei Jahren gibt es noch den Karneval, das ist nochmal eine ganz andere Welt. Und dann gibt es zwischendurch noch Auftritte bei Unternehmen oder Vereinen, da fabuliere ich zum Beispiel über mein Lieblingsthema: „Hat Deutschland Probleme mit Erfolg?“ Ich sag dann: Gewinnen-Wollen ist legitim, aber ohne Regeln ist es neoliberales Oligarchentum. Wir Menschen sind immer noch diejenigen, die bestimmen, was passiert, nicht irgendein Markt.
Wenn jetzt Deutschland mal gewinnt, wie zuletzt bei der Fußball-Weltmeisterschaft, ändert das was an der verkrampften Haltung der Deutschen zum Gewinnen-Wollen?
Es gab einige Nationalspieler, die jetzt ein anderes Auftreten hatten als früher. Früher hieß es immer: „Dabeisein ist alles.“ Im Gegensatz zu den Amerikaner, die sagen: „Winning is everything.“ Ich finde, diesmal haben sich die Spieler auch schon im Vorfeld ganz gut verkauft und gesagt: „Klar wollen wir Weltmeister werden.“ Damit haben wir uns in Deutschland immer schwer getan.
Warum?
Ich glaube, Gewinnen ist in Deutschland immer ein bisschen unanständig. Wir wollen schon gewinnen, wir sagen es nur nicht. Ich glaube aber, dass Gewinnen-Wollen vollkommen legitim ist, aber man muss nicht immer die Nummer eins sein. Es geht vor allem darum, auch mal Stellung zu beziehen, eine Haltung einzunehmen, zu sagen: „Ich bin dafür oder dagegen, und ich will das und das erreichen.“
Allerdings muss man dann auch akzeptieren, dass Verlieren dazu gehört und es gewisse Regeln braucht. Fahrradfahren zum Beispiel, Tour de France – finde ich total spannend. Aber was ist das mit dem Doping? Man könnte ja sagen: Wenn alle dopen, ist es doch scheißegal. Die unterhalten uns schließlich! Dass es trotzdem falsch ist, ist nicht immer einfach zu erklären.
Eine gesunde Gesellschaft muss sich mit solchen Themen auseinander setzen, und deshalb liebe ich Stand-up. Wir Deutschen sind immer so politisch, und Kabarett muss einen tagesaktuellen Zeigefinger haben. Stand-up muss nicht unbedingt politisch und auch nicht aktuell sein, aber es setzt sich mit der Welt auseinander, in der wir leben. In gesellschaftliche Entwicklungen reinpicken, ohne gleich verbindliche Lösungen anzubieten – das ist Stand-up.
Was ist für dich Erfolg?
Für mich persönlich ist Erfolg Freiheit und Selbstverwirklichung. Ich finde Geld wichtig, aber es ist für mich immer nur ein Werkzeug, das zu machen, was ich gerne machen möchte. Wenn ich früher mal einen Job nicht bekommen habe, hab‘ ich das einfach selber gemacht. Wenn ich singen wollte, mich aber keiner singen lassen wollte, habe ich eben eine Band gegründet und den Proberaum organisiert. Dann mussten sie mich ans Mikrofon lassen.
Ich habe schon öfter Firmen gegründet und in anderen, größeren Unternehmen gearbeitet. Aber ich habe gemerkt, dass ich keine 95.000 Angestellten brauche. Ich brauche eine Firma, damit ich das machen kann, was ich machen möchte.
Verlieren hast du im Sport gelernt. Aber sind Niederlagen auf der Bühne nicht viel härter? Schließlich schauen alle zu. Inwiefern hängt dein leistungssportlicher Background mit dem leicht masochistischen Bedürfnis zusammen, sich auf die Bühne zu stellen und es einfach mal drauf ankommen zu lassen?
Ja, man muss so eine Ader haben. Ich bin gern vor Leuten. Ich mag es, sie zu unterhalten. Ich finde, das ist schon ein Wert an sich. Aber manchmal wünsche ich mir, ich wäre Ingenieur geworden und hätte eine Brücke gebaut. Dann könnte ich darauf zeigen und den Leuten sagen: „Guckt mal, das hab ich gebaut.“ So bin ich ja eigentlich nur ein blöder Clown. Aber wenn ich drüber nachdenke, ist in der Gesellschaft, in der wir leben, auch ein blöder Clown wichtig. Gerade in einem Land wie Deutschland, in dem es uns verhältnismäßig gut geht, müssen wir auch mal über uns lachen. Wir müssen begreifen, dass das Leben zwar hart ist, aber es eben das einzige Leben ist, das wir haben. Und man kann noch so viel arbeiten, Glück gehört zum Erfolg immer dazu. Du kannst dich bis zu einem gewissen Punkt kämpfen, aber ohne Glück erreichst du gar nichts. Wir Menschen hier haben schon das Glück, in Deutschland geboren worden zu sein. Woanders hast du’s schon von Beginn an fünfmal schwerer.
Was waren die besten Momente bei „Nightwash“, der Sendung, die dich bekannt gemacht hat?
Da fallen mir spontan fast nur Dinge ein, die schief gegangen sind. Die haben mich damals natürlich unfassbar geärgert, aber ich habe immer etwas daraus gelernt. Wir hatten zum Beispiel eine Fernsehaufzeichnung, bei der wirklich alles schief ging. Irgendwann musste ich die xte Kamerapanne überbrücken. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, weil ich nicht wusste, was ich machen sollte: Alles kaputt, ich hatte tausend Gedanken im Kopf und Angst, dass ich das alles bezahlen muss. Und in der Stimmung habe ich 60 Minuten überbrückt. Das war mir in dem Moment überhaupt nicht klar. Der Redakteur vom WDR kam hinterher zu mir und sagte: „Ich wusste gar nicht, dass du ein Soloprogramm hast.“ Da habe ich zum ersten Mal daran gedacht, selbst als Comedian auf die Bühne zu gehen.
Du hattest also gar nicht das Grundbedürfnis, auf die Bühne zu müssen, sondern du bist da hineingewachsen durch das, was du gemacht hast?
Ja. Ich bin kein Getriebener, ich bin ein bisschen dahin geschoben worden. Ich fand sowas ganz toll, aber nach meinem Abi hab ich mich nicht getraut, auf eine Schauspielschule zu gehen. Meine Freunde haben alle Musik studiert und wir haben ein Ensemble gegründet, Musik und Comedy. 1983 war das. Ich hab gesteppt, jongliert und mir immer den ganzen Krimskrams beigebracht: Feuerspucken, Seiltanzen. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, ich kann gar nichts. Ich war schon über 30, als ich entschieden habe: Das ist dein Ding, das machst du jetzt. Es gibt zwar Leute, die sind viel talentierter. Aber ich bin bissig, recht diszipliniert und ich habe so eine Art Vision: Wir brauchen gute, lustige Unterhaltung in Deutschland, weg von diesem Zeigefinger-Kabarett, aber auch mehr als dumme Sketche. Wir brauchen eine Komik, die sich mit der Welt beschäftigt. Deshalb hat mich amerikanischer Stand-up fasziniert. Ich habe gedacht: Sowas müssen wir in Deutschland auch machen!
Kannst du definieren, was lustig ist und was nicht?
Nein. Lustig ist, worüber Leute lachen. Komik besteht aus ganz vielen Faktoren. Du brauchst eine gute Beobachtungsgabe und die Schärfe, Dinge überspitzt auf den Punkt zu bringen. Du weißt, dass dir das gelungen ist, wenn im Publikum vor dir Leute sitzen, die die ganze Zeit nicken: „Genauso isses.“ Und gleichzeitig ist das Lachen auch eine Erleichterung. Manchen Dingen musst du die Schärfe nehmen, um zu zeigen, dass alles auch ein großes Spiel ist.
Das meiste ist beobachten: Gucken, gucken, gucken! Ich versuche immer, das Alltägliche zu sehen und es in einen Kontext zu stellen, um die Absurdität und tagtäglichen Kämpfe zu zeigen, die wir führen – mit unserem Job, mit unseren Kindern, mit unserer Freundin, mit unserem Freund. Manchmal hat dann Komik etwas Erlösendes, weil die Leute feststellen: Geht ja nicht nur mir so, ist bei anderen ja genauso.
Also das, was dich erlöst, erlöst auch das Publikum?
Im Idealfall. Ich fange bei mir an zu suchen. Und dann muss ich sehen, ob ich damit einen Nerv treffe. Man muss viele Gags einfach ausprobieren.
Was weiß die Welt noch nicht über Knacki Deuser?
Ich organisiere gerade in Dortmund das erste deutsche Stand-up-Festival. Es dauert eine Woche lang. Das ist so ein Ding, das ich nächstes Jahr weiterführen möchte. Ich möchte ein Festival nur für diese Stand-up-Kultur aufbauen. Und dann gibt’s noch ein Spaßprojekt: den „Urban Stand-up Disco Club“ beim Köln-Comedy-Festival im Oktober, eine Veranstaltung im Artheater, eine Mischung aus Stand-up und Club. Erst kommen die Stand-ups und danach gibt es sofort eine Party. Dabei werde ich auch mein Debut als DJ geben.
Dein Wort zum Sonntag?
Lachen ist live fünfmal besser als im Fernsehen. Geht raus, Leute, und seht euch Sachen an. Das macht viel mehr Spaß, als vor der Glotze zu sitzen!