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Isabel Varell – Die sieben Geheimnisse der Schildkröte

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Wir trafen Isabel Varell, um mit ihr über ihren Song „Da geht noch was“ zu sprechen und Geborgenheit in sich selbst zu finden. Entschleunigung in Köln, Ausgeglichenheit und seine Mitte zu finden. Nicht ganz so einfach in einer Millionenstadt

Eine Lobhudelei auf die Südstadt und 20 Milliarden gezählte Schäfchen

‚Die sieben Geheimnisse der Schildkröte‘

Wir trafen Isabel Varell, um mit ihr über ihren Song „Da geht noch was“ zu sprechen, den 13 Geschichten Ihres Albums zu folgen und hierbei auch zu fragen, wo sie Geborgenheit in sich selbst findet.

(Nur in der Printausgabe – Gewinnt eine von zwei handsignierten CDs)

Hallo Isabel – Deine neue Platte hat es in sich. Sie hat viel von Fridas „I Know There‘s Something Going On” ein paar härtere Beats und man hätte aus einigen Stücken auch eine gute Elektroplatte daraus machen können.

Isabel: Hast du reingehört?

Ja, wir haben sie ganz durchgehört. Ich finde Schlager eigentlich gewöhnungsbedürftig, aber das Album ist gut.

Isabel: Das ist ja eigentlich kein Schlager.

Das wollte ich damit sagen: Wenn es gut ist, dann ist es kein Schlager.



Isabel: Ich muss dazu sagen, dass wir in unserer Musikbranche in diesem Genre sehr mit Vorurteilen kämpfen. Schlager ist genauso unterschiedlich wie die Pop-Musik. Es gibt so schlechte Syntesizer Kacke.

Man kann das einfach nicht in einen Topf werfen. Es gibt solche Unterschiede. Ich freue mich sehr über das Kompliment, dass euch beim Durchhören dieses Albums aufgefallen ist: da haben sich Menschen Mühe gegeben!

Hier geht noch was, da ist Kraft drin!

Isabel: Absolut.

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Wir haben Dich auf Youtube gesucht, leider ohne Erfolg, bist Du bei der Gema?

Isabel: Ich bin natürlich bei der Gema und es ist jetzt das dritte Album, das ich selber schreibe. Früher wurden mir die Texte geschrieben. Ich hätte mir das früher gar nicht vorstellen können, dass ich meine Songs, meine Texte mal selber schreibe. Aber da geht noch was! Ich hoffe, dass sich dieser Streit zwischen den Plattenfirmen und Youtube bald erledigt, denn natürlich ist die Position der Plattenfirma und der Gema richtig, dass die Urheber nicht leer ausgehen können, wenn ein Medium stark genutzt wird. Auf der anderen Seite wünschen wir Künstler und auch die Sängerin Isabel Varell, eine schnelle Klärung herbei. Wir haben grade ein Video in Hamburg gedreht. Völlig anplugged ohne Mikrofon mit Straßenmusikern, Gitarristen – eine Hammer Atmosphäre – aber wenn es auf Youtube erscheint, wird es sofort gesperrt. Das heißt es macht keinen Sinn ein Video zu machen.

Wir haben dein Video zumindest auf Clipfish gefunden.

Isabel: Sind da auch frühere Sünden?

Ja, z.B: „Es ist nicht leicht Prinzessin zu sein.“

Isabel:(lacht) Das war mein Lied für Kate als sie William geheiratet hat.

Welche Musikarten magst Du noch außer deine eigene?

13-03-26_varell_0160bIsabel: Meine eigene höre ich erstmal gar nicht. Ich kann mir das für mich Zuhause, wenn ich abends eine Flasche Rotwein aufmache, nicht vorstellen. Nach dem Motto: Jetzt höre ich eine Isabel Varell Scheibe. Ich liebe alle möglichen Richtungen, bin überhaupt nicht festgelegt. Ich liebe Roxette, ich liebe Robby Williams, hin und wieder klassische Musik, Soundtracks – je nach Stimmung.. Mein Freund Pit, macht uns manchmal Mixe. Dann gibt es mal einen italienischen Abend, einen französischen Abend. Ich liebe Charles Aznavour, Liane Foly aus Frankreich, Claudio Baglioni aus Italien.

Also melodielastige Songs?

Isabel: Allerdings.

„Cover Me“ – Birgit Schrowange ist deine beste Freundin, einen Song auf dem neuen Album singt ihr gemeinsam, im November gibt es eine Tribut „Cover Me“ für Dirk Bach und die AIDS Stiftung Köln, werdet Ihr am 15.11. hier vielleicht gemeinsam auftreten?

Isabel: Nein, “Cover me“ hat ein bestimmtes Konzept, „Cover me“ im Sinne von Schutz, wir covern da was ab, da wird Geld gesammelt für das Lebenshaus. Man singt auf gar keinen Fall seine eigenen Songs. Aber wir singen ein Duett bei Florian Silbereisen. Diesmal ist die Sendung live aus Erfurt.

Musik hat viel mit Genuss zu tun, absolut Platz eins bei Männlein und Weiblein. Ein Song aus deinem neuen Album – Alla bella vita – bedeutet ja auch das Leben zu genießen. Du hast alle Texte selbst geschrieben, wir haben nach Hinweisen gesucht, wie du das meinst.

Isabel: Also Musik hören- da wäre bei mir was davor: essen. Ohne Musik könnte man überleben, aber essen. Sagen wir mal so, ich habe beides auf Platz eins. Der größte Genuss für mich ist Musik machen, aber auch da muss man was im Magen haben.

Dein Stück „Da geht noch was“ haben wir mehrfach angehört, wir sind schockiert das du 140.000 Stunden geschlafen hast, du nennst es Zwischenbilanz, das heißt, du wirst noch mehr verschlafen?

AlbumcoverIsabel: (lacht) Ich kann alles erklären! Ja, aber die gute Nachricht ist: Ich war 280 000 Stunden wach! Ich bin so ein acht Stunden Mensch, bin erst dann zufrieden, wenn ich acht Stunden geschlafen habe. Da kommt einiges zusammen und ich komme ratz-fatz auf 140 000 Stunden, die ich bis jetzt verpennt habe. Als Kind kommen noch einige drauf. Babies schlafen rund um die Uhr.

Dann hast du den Bonus eingerechnet.

Isabel: Ich hatte natürlich später mal eine kürzere Nacht hier und da. Da wiegt sich dann wieder auf. Ich vermute dass du auch schon so viele Stunden auf der Uhr hast. Ist die Frage ob du noch ein paar Gläser Wein mehr auf der Uhr hast als ich. Bei mir sind es 14000. Das klingt nach viel, aber auch das kann ich erklären! Ich habe angefangen zu trinken mit achtzehn.

Mit achtzehn erst?

Isabel: Ehrlich- ich hatte meine erste Alkoholvergiftung mit vierzehn – aus Versehen. Ich bin in einem Tennisclub bei einer Party ein bisschen abgefüllt worden. Ich war sehr jung, mit vierzehn geschieht so eine Vergiftung schnell, wollte aber „große Dame“ spielen. Geraucht habe ich auch. 14000 Gläser Wein klingt viel. Ich genieße seit meiner Volljährigkeit, seit 34 Jahren ein Gläschen Wein, im Endeffekt ist das gar nicht so viel.

Wurdest du auf das Thema angesprochen?

Isabel: Nein, ich hatte die Idee mit dem Lied, dann habe ich angefangen zu rechnen. Wieviele Hühner hat man beispielsweise schon gegessen? Keine angenehme Vorstellung. Heute bin ich fischessende Vegetariarin. Das habe ich dann gestrichen von der Liste, denn das ist nicht nett. Sich so einen Berg von toten Hühnern vorstellen…
Ich predige ja auch, dass die Leute bewusster essen sollen. Auch geringverdienende Familien mit Kindern müssen nicht jeden Tag Fleisch essen. Im Discounter hängen drei Euro Putenpackete. Was glauben eigentlich die Menschen wie es diesem Tier gegangen ist. Wie dieses Tier gelebt hat und wie es gestorben ist. Das ist gedankenlos. Es ist wichtig ein Bewusstsein dafür zu entwickeln und Respekt vor Tieren zu haben.

Für eine Schachtel Zigaretten kriege ich zwei ein halb Hähnchen!

Isabel: Ja, über das Rauchen wird viel geredet, aber die toten Tiere, die müssen ganz erschwinglich sein damit man sie jeden Tag vertilgen kann. Ich predige dies immer wieder und muss dabei vorsichtig sein.

Zu deinem Song „Da geht noch was“ – In manchen Berufsgruppen ist das ja gang und gäbe – Die deutschen Beamten fordern eindeutig eine Entschleunigung – Zügig arbeiten heißt ja nur, der kann noch mehr erledigen.

Isabel: (lacht) Das hast du gesagt!

Du hast immerhin 1.000 Stunden telefoniert – ist das viel oder wenig?

Isabel: Ja, ich habe das auch versucht hoch zu rechnen. Ich bin schon ein Mädchen und wir Frauen können das nun mal. Wir können zehnmal am Telefon das Gleiche durchkrackeln und jeder Mann würde sagen: Das hast du mir doch schon erzählt. Wir Frauen können unter uns das alles nochmal zehnmal aufrollen und es ist immer wieder spannend!

Laut Deinem Song hast Du ein halbes Jahr im Stau gestanden, ist das nicht die modernste Form der Entscheunigung – Stau suchen?

Isabel: (lacht) Ähm, das Problem ist nur: Beim Entschleunigen müsste ich mich erholen, beim Stau kann ich das nicht, weil ich dann wieder eine
Panikattacke kriege aufgrund des Bedürfnisses auf`s Klo gehen zu müssen. Ich kenne jede Toilette in Deutschland!

Der Einzelhandel gibt sich extrem Mühe, den Konsumenten eine Entschleunigungskur zu verpassen. Das ganze Schoppen schlaucht ja schon und dann nur eine Kasse geöffnet, hast du vielleicht deswegen 30.000 Cappuccinos gelöffelt? Seih ehrlich, wer ging für dich einkaufen?

Isabel:Ich gehe schon selber shoppen, da bin ich aber nicht so die typische Frau. Das mache ich schon mal ganz gerne, kann das aber jetzt nicht so zelebrieren wie die Birgit. Birgit ist die geborene Shopperin. Wenn ich mit ihr einkaufen gehe, dann trage ich meistens ihre Tüten hinterher. Dann stehe ich an der Kasse und drehe Däumchen- das ist wirklich eine Form von Entschleunigen.

Warum warst du eigentlich, laut deinem Song, nur 200 mal im Kino? Hast Du die Vorstellungen immer verpasst? Weil du ständig gebremst wurdest?

Isabel: Ist gar nicht so viel. Ich gehe so gerne ins Kino. Ich bedaure, dass es nicht mehr war. Für mich ist ein Kinobesuch und anschließend zum Italiener oder Sushi Essen absolute Lebensqualität.
Das ist beim Thema Entschleunigung ganz weit vorne. Kevin Costner hat mal einen tollen Satz gesagt:

‚people sit in the dark and dream the same dream‘

Das ist mal wirklich abschalten!

Als Hobby läufst Du Marathons, du bist die Aids Stiftung gelaufen. Den „Run of Colours“ oder in Bonn – machst du das in Zukunft weiter?

Isabel: Ja, wenn ich Zeit habe, bin ich gerne bei solchen Läufen dabei.

Singst du auch dabei?

Isabel: Ne, aber ich gehe in der Tat meine Texte durch. Der Denkapparat ist immer am arbeiten.

Wenn wir schon beim Marathon sind: Kannst Du eigentlich schlecht einschlafen?

Isabel: Wie ist das denn gemeint? Eigentlich nicht.

Naja, Du hast laut deinem Song so viele Schäfchen gezählt, oder zählst Du die auch tagsüber als
Entspannungsübung? Quasi als Geheimtipp der Stecker-rauszieh-Bewegung?

Isabel: Ne, aber das habe ich in der Tat probiert und gehört, dass man sie rückwärts zählen soll! 20 Schäfchen, 19 Schäfchen…

Hast du deinen 20 Milliarden Schäfchen ein paar Namen gegeben, das macht am Tag 100.000 Schäfchen, also ich würde da durcheinander kommen.

Isabel: Ups – Du hast mich erwischt! Ich muss eh einiges korrigieren- ich werde ja älter! (lacht). Bei der Gelegenheit werde ich die Schäfchen nochmal überdenken!

Du wohnst in Köln, Drehkreuz des Westens, hier wird ja auch einiges zwangsläufig entschleunigt, so ein U-Bahnbau scheint echt anstrengend zu sein. 8 Meter pro Tag, am 1. Januar 2004 war
Baubeginn, heute bohren die vermutlich irgendwo in Bornheim. 2010 sollte das Ding bereits fertig sein. Hätte die Zeile noch in deinen Song gepasst? „Da geht noch was?“

Isabel: Das hätte nur regionalen Charakter. – In der Tat freue ich mich auf das Stück U-Bahn. Ich finde überhaupt, dass in Köln noch was geht. Ich liebe die kölsche Art. Aber ich kritisiere an dieser Stadt, dass sie so schmutzig ist. Als ob man darauf stolz sein könnte, dass Köln in Mittelalter schon eine der schmutzigsten Städte war. Dies hat mir mal ein Taxifahrer mit stolzgeschwellter Brust gesagt. Ich muss sagen, dass ich in Düsseldorf groß geworden bin. Das sage ich ganz laut.
Ich liebe beide Städte. Als Düsseldorferin habe ich es geliebt Köln zu besuchen und jetzt ist es umgekehrt. Ich lebe sehr gerne in Köln, aber – das muss ich ganz klar sagen – Düsseldorf ist in der Hinsicht vorbildlich – total gepflegt und macht es den Leuten schön. Im Seniorenalter sollte man vielleicht nach Düsseldorf wieder überwechseln. Werde ich jetzt gelüncht, wenn ich so was sage?

Nee! Die Südstadt ist ja nach wie vor vom entschleunigten U-Bahn Bau betroffen, findest Du eigentlich einen Parkplatz?

Isabel: Ich habe eine angemietete Garage. Ich bin ein reisender Mensch und wenn ich nach Hause komme, ein Kofferraum voller Gepäck, da will ich nicht zehnmal um den Block fahren und möglichst noch mein Gepäck durch die Gegend schleppen. Ohne Gepäck gehe ich jede Treppe, mit Gepäck: das geht nicht.

Es gibt als Alternative ja Bus und Bahn.

Isabel: Das ist auch so eine Sache. Ich finde die öffentlichen Verkehrsnetze viel zu teuer. Da müssten die Politiker auch einschreiten. In Paris ist das Metro System einmalig. Da zahlst du für zehn Fahrten ca. 13 Euro. Ein Euro von Ost bis West, von Nord nach Süd pro Fahrtstrecke solange du das System nicht verlässt. Querfahren für ein Euro in dieser Weltstadt Paris. Ich möchte offiziell den Bürgermeister fragen, warum das System in Köln so teuer ist. Kennt ihr diese Cars to go? Diese Idee finde ich großartig. Man braucht in der Stadt eigentlich keinen eigenen Wagen mehr. Aber hier in der Südstadt muss natürlich erst die U- Bahn klappen.

Ist die Südstadt mit den vielen spanischen und italienischen Einflüssen das Cést la vie in Kölsch?

IMG_0069Isabel: Wir sitzen jetzt bei meinem Lieblingsspanier in der Südstadt! Ich wohne gerne in „kiezigen“ Vierteln, brauche das Gefühl mitten in der Stadt zu sein. Weil ich viel unterwegs bin, brauche ich Zuhause erstmal Ruhe und im Unterbewußtsein das Gefühl, ich kann jeder Zeit aus der Tür rausfallen und bin mitten drin. In der Südstadt mag ich die Restaurants und das Legere der Leute, die kölsche Art sich nicht immer schick machen zu müssen. Kulinarisch könnte sich Köln, finde ich, mehr anstrengen. Die richtigen einfachen, urige Italiener sind rar und Köln könnte sich an Berlin ein Vorbild nehmen. Preiswerte Italiener und sensationelles Essen!
Die Südstadt und die kölsche Mentalität sind ein fester Bestandteil meines Entschleunigungsbildes, am liebsten mag ich den Spruch: „Et kütt wie et kütt“.

Isabel – vielen Dank für das Gespräch.


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