FREI WIE DER WIND
Seit zwei Jahrzehnten segeln die als „Seenomaden“ bekannten Österreicher Doris Renoldner und Wolf Slanec über alle Meere. Ihre letzte große Reise führte sie zum zweiten Mal um den Globus. Und mehrfach an ihre Grenzen.
An seine Grenzen gehen – Atemberaubende Berichte – überwältigende Bilder
Schließen Sie die Augen, wir begleiten die Seenormaden auf ihrer Reise durch die Südsee
Vor gefühlten hundert Jahren lernte ich Wolf kennen. Wir waren jung und so schön, wie es Ende der 80er Jahre möglich war, saßen im Café Hummel und teilten uns eine Melange. Der Kaffee war rasch ausgetrunken, Wolf voll in Fahrt. Er erzählte, dass er ein Boot besitze und davon träume, um die Welt zu segeln. Wortreich schilderte er von gestrandeten Yachten, von Aussteigern auf Gomera, vom Sturm in der Straße von Gibraltar. Ich glaubte ihm kein Wort. Aber er gefiel mir. Dann traf ihn wieder und erkannte, dass er der freieste Mensch war, den ich jemals gesehen hatte. Sparbuch oder guter Job waren ihm egal, er trug lange Haare und bunte Brillen, kletterte in steilen Wänden und zeigte mir, dass man sein Leben auch außerhalb vorgestanzter Schablonen führen kann.
Mittlerweile sind wir verheiratet, haben zweimal die Welt umrundet und dabei 110.000 Seemeilen geloggt. Den Löwenanteil der letzten 20 Jahre waren wir unterwegs. Das ist kein Ausstieg für zwischendurch, auch kein Trip oder Projekt. Das ist unser Leben. Wir haben wenig und wir haben viel. Viel Natur, viel Draußensein, viel Zweisamkeit und Selbstbestimmung. Ein Sein im Hier und Jetzt. Nomad ist unser schwimmendes Zuhause. Alles, was wir besitzen, ist in Armeslänge von uns entfernt. Was wir nicht mitführen können, findet Platz in der Erinnerung. Eine Lebensweise, die bestimmte Dinge voraussetzt. Gesundheit vor allem, und Urvertrauen. Und einen entspannten Umgang mit dem Mangel an Sicherheit.
Vor dem Aufbruch zu unserer zweiten großen Fahrt, im Januar 2002, standen wir vor einem altbekannten Problem. Wir brauchten Geld. All unsere Ersparnisse waren in die Bootsrenovierung geflossen. Daher setzten wir auf zahlende Mitsegler, die uns während des ersten Reiseabschnitts begleiten sollten. Mit dem Wermutstropfen des Terminsegelns. Üblicherweise wissen wir nicht, wo wir in einem Monat sein oder was wir in einem halben Jahr tun werden. Außerdem sind Routenplanung auf der Seekarte und deren Umsetzung in die Realität zwei verschiedene Paar Schuhe. Quer Mittelmeer und hinaus in den Atlantik ging die Rechnung auf. Aber ab Argentinien war Schluss mit lustig. Spätestens dort bereuten wir, uns einen strikten Fahrplan auferlegt zu haben.
Rund Südamerika.
In Patagonien bestimmte der Wind unser Sein, er war das Maß aller Dinge, diktierte die Form der Bäume und lehrte uns Geduld und Respekt. In schlimmen Stürmen lernten wir unsere Feigheit kennen, durchschritten die Höllen der Angst, zitterten um unser Boot und zum ersten Mal auch um unser Leben. Ist alles überstanden, kann man leicht mutig sein, darüber schreiben und reden. Aber nie die Demut verlieren, sie ist eine gute Begleiterin auf dem Meer. Als uns nach der Rundung des Südzipfels von Amerika der Bootsnachbar beim Anlegen in Puerto Williams fragte, woher wir kämen, fühlten wir uns wie Helden und antworteten lässig: „Kap Hoorn. Und du?“ „Antarktis“. Von wegen Heldentum …
Mitte März, Herbstbeginn auf der Südhalbkugel. Wir nahmen das längste und wildeste Fjordlabyrinth der Erde in Angriff. 2.000 Seemeilen in der Einsamkeit Südchiles, abseits jeglicher Zivilisation. Wochenlang kämpften wir um jede Meile Richtung Norden, gegen wütende Schneestürme, Hagelschauer und lähmende Flauten. Nässe und Kälte drangen durch Mark und Bein, und unsere nicht isolierte Nomad verwandelte sich in eine Tropfsteinhöhle. Das ständige Bangen, ob Anker und Landleinen halten, strapazierte unsere Nerven. Dazwischen entschädigte uns die Natur mit ungezähmter Schönheit für ihre schlechten Launen. Augenblicke, die sich für immer einbrannten: Nomads Bug, der sich knirschend durch Treibeis zu den Gletscherabbrüchen schiebt, das Schnaufen der Seelöwen, der rotierende Flügelschlag der Dampferenten, der erste Sonnenstrahl nach langer Schlechtwetterperiode. Ein Schatz an Erinnerungen, den uns niemand nehmen kann. Obwohl wir den Wettlauf mit dem Südwinter verloren, erreichten wir allen Widrigkeiten zum Trotz Puerto Montt, das nördliche Ende des Fjordlabyrinths. Die Fahrt um Südamerika hatte uns alles abverlangt, aber auch reich beschenkt. Die härteste Konfrontation mit den Elementen war gleichzeitig die tiefste Begegnung mit dem Leben.
Zeitlos im Pazifik
Nach über einem Jahr in Patagonien wuchs die Sehnsucht nach wärmeren, tropischen Gefilden. Im Februar 2004 steckten wir Nomads Bug in die unendliche Weite des Pazifiks, machten uns auf zu entlegenen Inseln, die seit der Kindheit unsere Phantasie beflügelt hatten. Traum und Wirklichkeit verschmolzen, als wir auf der Robinson Crusoe Insel jenen Aussichtspunkt erklommen, wo vor 300 Jahren der schottische Seemann Alexander Selkirk (alias Robinson Crusoe) Tag für Tag den Horizont nach einem Rettungsschiff abgesucht hatte. Auf der Osterinsel ankerte Nomad in der Bucht von Anakena vor den geheimnisvollen Steingiganten namens Moai. Auf Pitcairn rasten wir mit Steve Christian, Ururur-Enkel vom Obermeuterer Fletcher Christian, in einem halsbrecherischen Ritt durch die Brandung, um in der Bounty-Bay anzulanden.
In den Tuamotus traf Nomads Kurslinie jene von Susi Q, unserer ersten Yacht. Immer wieder hatten wir davon geträumt, zu diesen Atollen, die unsere Gedanken wie magisch anzusaugen schienen, zurückzukehren. Jetzt waren wir hier. Wie neun Jahre zuvor fiel unser Anker im Süden des Fakarava Atolls. Lang erträumtes Wiedersehen mit unserem Freund Manihi, der heute statt der legendären Fischfalle eine kleine Pension betreibt. Zeitlos zogen wir durch das Reich der Ringe, erwachten jeden Morgen in einer Postkartenidylle. Vor einem unbewohnten Motu blieben wir einen ganzen Monat, ernährten uns von Fisch, Reis und Kokosnüssen; Lagerfeuer am Strand inklusive. Ein simples Leben, schonend im Umgang mit Energie und Natur. Ein Leben zum Anfassen, fern von E-Mails, Facebook, TV-Berieselung, Fast Food und Rastlosigkeit. Waren wir jemals glücklicher?
Doch so sparsam wir auch waren, die Bordkasse blinkte auf Reserve und Nomad verlangte nach einer neuen Steuersäule. In Tahiti erwischte uns ein tropischer Sturm, der uns bis heute in den Knochen sitzt. Nicht angekündigte 60 bis 70 Knoten in stockdunkler Nacht, slippender Anker, Kollision mit dem Nachbarboot, Dingi und Windfahne aus der Heckplattform gerissen und futsch, Propeller samt Welle verbogen, Bimini zerrissen. Schock. Wir parkten unsere lädierte Lady in einer Werft und flogen nach Wien, um Geld zu verdienen. Wir produzierten die Multimediashow Um Kap Hoorn in die Südsee, mit der wir durch Österreich tingelten. Der Kameramann Christian Berger, bekannt für Filme wie „Das weiße Band“ oder „Caché“ stellte eine Doku über uns fertig, die wir als DVD „Leben mit dem Wind“ vertrieben. Als wir genug Geld beisammen hatten, kauften wir Tickets nach Tahiti.
Zurück zu Nomad. Zurück nach Hause
Von Tahiti kreuzten wir gegen den Passat zurück zu den spektakulären Marquesas und gingen im Mai 2006 ernsthaft auf Westkurs. Inseln, Inseln, Inseln. Wir stoppten in den Cook Islands auf Suwarrow, jenem legendären unbewohnten Eiland, auf dem sich vor 50 Jahren Tom Neale aussetzen ließ, um seinen Traum an der Realität zu messen. Über Wallis segelten wir nach Fidji in die von Yachten kaum besuchte Lau Gruppe. Bereits Ende Oktober läutete Xavier die Hurrikansaison ein, und wir vertschüssten uns nach Neuseeland. Man soll den Zyklonen nicht auf der Nase herumtanzen. 1.200 Seemeilen in nur sieben Tagen auf Halbwindkurs: Ständig überspültes Deck, tropfende Luken, Waschmaschine mit Schleudergang. Vollgas. Aber es lohnt sich, denn kaum in Opua angekommen, zog Sturm auf. Geschwindigkeit kann auch für Sicherheit stehen.
Die meisten Fahrtensegler streichen in Neuseeland für ein halbes Jahr die Segel. Für uns begann hier ein neues Abenteuer. Wir wollten runter in den „Southern Ocean“, bis nach Stewart Island, Antipode zu Österreich. Wollten einen Rundblick über das Meer werfen und wissen: Da geht es nach Hause. Und da auch. Im windzerzausten Port Pegasus, auf 47 Grad Süd, fanden wir uns am anderen Ende der Welt wieder. Hätten wir hier eine riesige Stricknadel durch den Globus gestochen, wäre ihre Spitze in etwa in Österreich erschienen.
In den Hinterhöfen der Südsee
Weiter weg geht nicht, zwangsläufig befanden wir uns also von nun an auf dem Heimweg. Ein Gedanke, der uns gar nicht gefiel. So schenkten wir uns ein weiteres Jahr in der Südsee. Aber nicht im erschlosseneren Teil zwischen Tahiti und Fidji, sondern quasi in der Wildnis, Lichtjahre vom Lifestyle Bora Boras entfernt. Im Juli 2007 setzten wir Segel Richtung Melanesien und Mikronesien, eine Kette von Archipelen im Westpazifik. Tikopia, Nanumea, Ailuk, Nukuoro, Kapingamarangi, Kitava – klingende, kaum bekannte Namen in einem ozeanischen Kosmos, weit abseits gängiger Fahrtenseglerrouten. Was in den Monaten darauf folgte, war erwartungsgemäß kein gemütlicher Urlaubstörn.
Tagelang mühte sich Nomad hart am Wind durch Konvergenzzonen und stürmischen Passat, an Land lauerten Myriaden von Moskitos und Fliegen auf. Jeder kleine Schnitt wucherte zum Tropengeschwür, in brütender Hitze geriet jegliche Aktivität zu ungeheurer Anstrengung. Wir trafen auf Kulturen fern der Neuzeit, archaisch, voller Tabus und rätselhafter Rituale. Manchmal fühlten wir uns wie Außerirdische. In Tikopia robbten wir auf allen Vieren in die Hütte des Häuptlings und krochen nach gewährter Audienz rückwärts wieder hinaus. Dem Chief das Hinterteil zu zeigen, wäre ein grober Fauxpas gewesen. In den Marshall Inseln durfte ich nur lange Sackkleider tragen, denn weibliche Knie und Oberschenkel sind einzig und alleine dazu da, den Männern den Kopf zu verdrehen. Außerdem kein Landgang mit nassen Haaren, das würde auf soeben ausgeübten Sex schließen lassen. In Kitava verschenkten die Menschen ihre gesamte Yams-Ernte, um ihrerseits von anderen beschenkt zu werden. Gaben verpflichten, Schenken verbindet. Schnell wurden wir Teil dieser archaischen Schenkkultur. Die Insulaner brachten Yams, Süßkartoffeln, Papayas und Schnitzereien im Kanu zu uns an Bord. Wir gaben Reis, Zucker, Kleidung und Angelzeug zurück. Elf Monate verbrachten wir in den Hinterhöfen der Südsee, lebten außerhalb unserer Zeit. Wir vermissten nichts, weder Telefon, Fernseher, Internet oder Supermarkt. Die Insulaner lehrten uns Genügsamkeit: Weniger, statt immer mehr.
Schließlich das Unbehagen vor der Rückkehr in die Zivilisation. Und ein Gefühl von Zerrissenheit. Als ob uns das Wandern zwischen den Welten daran hindern würde, uns irgendwo heimisch zu fühlen. In Darwin, Australien, erwachten wir endgültig aus der pazifischen Traumzeit, außerdem stand ein längerer Werftaufenthalt am Programm. Wir rüsteten Nomad für den letzten Teil der Reise und gaben in einem Monat mehr Geld aus, als im ganzen Jahr davor. Unter sengender Sonne schraubten, flexten, schweißten, pinselten und werkelten wir Woche um Woche.
Indik und Atlantik
Am 20. August 2008 verließen wir den roten Kontinent und zogen hinaus in den Indik. Ab jetzt ging es mit Riesenschritten heimwärts: 7.000 Seemeilen bis Südafrika, dazwischen Trittsteine wie Ashmore Reef, Christmas Island, Cocos Keeling. Eine tropische Depression, die uns bereits auf der Fahrt nach Chagos im Nacken saß, entwickelte sich zu Asma, dem ersten tropischen Zyklon der Saison. So mutierte das unbewohnte Atoll unserer Träume zum Albtraum. Auflandiger Starkwind verlangte kurz nach der Ankunft Ankerplatzwechsel. Bei peitschendem Regen und miserabler Sicht tasteten wir uns wie über ein Minenfeld durch die riffgespickte Lagune. Nach zwei Tagen zog Asma ab und wir konnten endlich an Land. Dort der nächste Schock. K.O. durch Kokosnuss, die Wolf aus drei Metern Höhe am Kopf traf. Zum ersten Mal verfluchte ich die Tatsache, völlig einsam, ohne Arzt, Spital oder sonstige Hilfe zu sein. Gott sei Dank kam mein Skipper mit Platzwunde, Beule und lädiertem Genick glimpflich davon. Wie zerbrechlich unser Glück doch ist.
Planänderung. Wegen der frühen Wirbelsturmaktivität segelten wir statt über Nord-Madagaskar und den Mozambik-Kanal die südlichere Route über Mauritius und Réunion und erreichten zum Nikolo 2008 Südafrika. Neuer Kontinent, neues Land, neues Abenteuer. Wie immer nach langen Seestrecken freuten wir uns auf festen Boden unter den Füßen. Safari im Wildreservat, Trekkingtour durch die Drakensberge, Klettern am Tafelberg. Dazwischen anspruchsvolles Küstensegeln bei sonniger Flaute oder eisigem Sturm. Überfüllte, von Schwell geplagte Häfen, Starkwind am Kap Agulhas, dem südlichsten Zipfel Afrikas und Flaute am Kap der Guten Hoffnung. Nach Kap Hoorn vor sechs Jahren auch diese Hürde geschafft. Hatten wir jetzt Mount Everest und K2 des Segelns bezwungen? Hinkender Vergleich. Die beiden Bergriesen sind immer gleich hoch, während man die Kaps in Tagestörns umschippern kann, ohne je gefährliches Wetter erlebt zu haben. Die immer genaueren Wetterberichte über Funk, Fax und Internet machen es möglich. Bei jedem Landgang gingen wir auf die Pirsch nach Internetcafés, um die aktuellsten Wetter-Websites zu durchforsten. Auf Nomad sind wir immer noch unplugged, kein Satellitentelefon und E-Mail an Bord. Wir genießen es, auf See nicht erreichbar zu sein, den Kontakt zum Rest der Welt zu verlieren.
Atlantik, letzter Ozeangigant dieser Reise. Anfang April 2009 rauer Start von Kapstadt mit Kurs auf St. Helena. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so fürchterlich unter der Seekrankheit litt, vielleicht bei meiner Jungfernfahrt vor 20 Jahren. Dafür purzelten die Meilen – nur elf Tage zu Napoleons Exilinsel. In der James Bay schaukelte Nomad wilder als draußen auf See. Wie Tarzan und Jane schwangen wir uns beim Anlanden auf Haltetauen vom Beiboot auf den Kai. 700 Meilen weiter hatte uns der Schwell des Südatlantiks immer noch im Griff. Ascension, dieses ins Meer gefallene Stückchen Mond, wies uns ab. Meterhohe Brandung erstickte jeden Gedanken an Landgang im Keim. Also weiter. Schwächelnder Passat ließ uns viel zu früh in die windstille Zone gleiten. Meter für Meter quälten wir uns eine Woche lang mit flappenden Segeln Richtung Äquator. „Wenn das so weiter geht, brauchen wir noch fünf Wochen zu den Kap Verden!“ kalkulierte Wolf und schmiss entnervt die Maschine an. Nach zwei Stunden setzte sich die Vernunft durch. Der Ozean war einfach viel zu groß für unseren Dieseltank. Nach 25 Tagen erreichten wir endlich die Insel Santiago; mit zerrissenem Großsegel und kaputtem Getriebe.
Der Sack ist zu
Genau vor dieser Insel kreuzten wir unsere Kurslinie von 2002 und hatten somit zum zweiten Mal die Welt umsegelt. Die Zeit wie ausgelöscht, als wären wir erst gestern gestartet. Ein Blick in den Spiegel: Die Reise ist nicht spurlos an uns vorüber gegangen war. Meine ersten graue Haare, ein Spinnengewebe von Falten in unseren Gesichtern. Zeugen peitschender Stürme und erbarmungsloser Sonne. Spuren von Angst und Freude, von Staunen und Begreifen.
Die Weltumsegelung war komplett, doch die Reise noch lange nicht zu Ende. 1.500 Meilen bis zu den Azoren. Und über 4.000 Meilen bis Izola. Zwei Tage später in Tarrafal der große Dämpfer. Mitten in der Nacht kamen Banditen an Bord. Computer, Bargeld, Kleidung, Schuhe weg. Zum Glück schreckten wir erst auf, als die Diebe mit der Beute abzogen. Geschockt lichteten wir den Anker; hier wollten wir nicht mehr bleiben.
Die nächste Etappe hart am Wind gegen den Nordost-Passat brachte uns an den Rand der Erschöpfung. Die kräftezehrenden Dreistundenwachen der letzten Monate steckten uns in den Knochen. Oft musste ich beim Wachwechsel Wolfs Namen fünf Mal rufen, bis meine Stimme in sein betäubtes Bewusstsein drang und er in der Lage war, aufzustehen. Müdigkeit, Müdigkeit, Müdigkeit. Manchmal wie Folter. Das Bordleben beschränkte sich auf das Allernotwendigste. Essen und Schlafen. Selbst Pinkeln in den „Cockpit-Klokübel“ war beschwerlich, die Toilette im Vorschiff blieb überhaupt unbenützt.
Dann die Hafenmauer von Horta im Morgendunst, ein magischer Moment. Unversehrt in Europa angekommen zu sein, verschaffte uns eine tiefe Befriedigung. „Für alles Schöne im Leben hast du im Voraus bezahlt“, sagte Wolf leise und drückte mich fest an sich.
Das Mittelmeer war in Sachen Segeln ein Flop. Die meiste Zeit herrschten Flaute oder Gegenwind; aber was soll`s. Am 9. Oktober 2009 schloss sich der Kreis in Izola, wo dieses Abenteuer begonnen hatte. Zum zweiten Mal hatten wir den Globus umrundet, das machte uns demütig und dankbar. In unsere Aufregung und Freude mischte sich aber auch Furcht. Vor der Heimkehr, vor den Umstellungen, die das Leben an Land mit sich bringen würde. In Izola von Bord zu gehen, fiel uns unglaublich schwer. Wir hatten das Gefühl, uns gegen den natürlichen Lauf der Dinge zu stemmen.
Im Moment leben wir in einer kleinen Wohnung in Puchberg am Schneeberg (Niederösterreich), schreiben unser Buch, bereiten eine neue Multivisionsschau vor. Manchmal träume ich, dass Wolf mich fragt, ob wir wieder lossegeln wollen. Ich wäre leicht zu überreden. Ich weiß, er wird irgendwann fragen. Vielleicht in zwei, drei Jahren. Vielleicht aber schon morgen, gleich nach dem Frühstück…
Frei wie der Wind – Vorführungen
AACHEN | SO 06. OKT 2013 |
Cineplex | 14.00 h |
DÜSSELDORF | SO 06. OKT 2013 |
zakk | 19.00 h |
MÜNSTER | MI 09. OKT 2013 |
VHS Münster – Forum 1 | 18.30 h |
KÖLN | SO 13. OKT 2013 |
Rautenstrauch-Joest-Museum | 11.00 h |
TARIF: | 16,00 € |
Partner: | 14,00 € |
Ermäßigt: | 10,00 € |
Kind: | 5,00 € |
Tagesticket (D/K): | 27,00 € |
www.seenomaden.at |