Die weltgrößte Buchmesse ist vorbei – Während Amazon auf der größten Buchmesse der Welt in Frankfurt am Main wieder einmal das Gespräch dominierte und punktgenau zur Buchmesse seine „E-Book-Flatrate“ namens „Kindle unlimited“ präsentierte. Erklärt uns Hildegard Barth von der Köselschen Buchhandlung die Unterschiede zwischen E-Book, Onlinehandel und die Vorteile ein echtes Buch in der Hand zu halten.
Von DOROTHEA DÜHR – Um Bücher zu verkaufen, muss man etwas von Büchern verstehen. Nach wie vor. Da hat auch das Internet mit seinen Online-Shops nicht viel geändert. Insbesondere Amazon hat uns zwar gezeigt, wie schnell wir Bücher online bestellen können, wir finden gewünschte Titel schnell, erhalten Vorschläge und Rezensionen von Kunden, die bereits gelesen haben, was wir nicht kennen.
In der Sache „des sich Auskennens“ hat sich allerdings nichts geändert. Bücher von Kunden empfohlen zu bekommen, ist das eine, die Empfehlung aber von Buchhändlern zu erhalten, ist etwas völlig anderes. Die Buchhändler der Köselschen Buchhandlung zumindest kennen sich gut aus. Dort werden Kunden beraten von Menschen, die bereits schon gelesen haben, was wir noch nicht kennen. Mehr noch: Sie kennen nicht nur das Buch, das wir suchen, sondern auch den Büchermarkt. Und der ist ja bekanntermaßen überflutet mit Titeln.
Die eigene Phantasie ist die stärkste Kraft
Hildegard Barth, Inhaberin der Köselschen Buchandlung am Roncalliplatz in Köln, legt jeden-falls Wert auf Qualität in der Bücherauswahl. Und deshalb legt sie auch Wert auf Mitarbeiter, die etwas von ihrer Sache verstehen. Es geht vielleicht nicht so schnell wie beim Online-Einkauf, dafür geht es gründlich und ausgewählt. Die Beratung bewegt sich abseits der Empfehlungen jeglicher Bestseller-Listen und greift Bücher auf, die Kunden im Markt kaum selbst finden können. Die Mitarbeiter sind allesamt ausgebildete Buchhändler, auch Hildegard Barth ist ursprünglich Buchändlerin und heute Inhaberin. Sie hat die Köselsche Buchhandlung 1967 übernommen. Neben der Belletristik gibt es eine handverlesene Auswahl an Büchern in den Bereichen Literatur, Sachbuch, Religion und Kinderbuch. Sie setzt auf Klasse statt Masse und findet nach wie vor, dass bei Kindern „Kopfkino“ stattfinden sollte. Denn die eigene Phantasie sei noch immer die stärkste Kraft. Sie fördere Reflexion, Sprachgefühl und Humor.
seconds sprach mit Hildegard Barth über den „Durst“ von Jugendlichen, den Buch-handel und warum Lesen für Kinder und Jugendliche immer noch viel wichtiger ist, als mit iPhone, Playstation & Co. den Tag zu verbringen.
Seconds: Die Köselsche Buchhandlung besteht seit 1919 und ist damit eine der ältesten Buchhandlungen in Köln. Wie haben Sie es geschafft dem starken Konkurrenzdruck, der insbesondere durch den Online-Handel, etwa durch Amazon, entstanden ist, Stand zu halten und die Traditionsmarke „Köselsche Buchhandlung“ weiterhin erfolgreich zu etablieren?
Hildegard Barth: Der Druck kommt nicht nur von Amazon, auch die konfessionellen Verlage haben ihre Online-Shops und bedienen „unsere“ Kunden. Zudem kommt die Printwerbung diverser Anbieter hinzu. Das heißt, der Wind weht aus unterschiedlichsten Richtungen. Starke Konkurrenz bildet auch der stationäre Buchhandel mit den großen Filialisten wie Thalia und die Mayersche Buchhandlung. Was wir tun? Mit unserem ausgesuchten Sortiment besetzen wir eine Nische. Unsere Abteilungen „Religion und Theologie“ sowie „Köln und Regionalia“ finden Sie in dieser Zusammenstellung und Auswahl in keinem anderen stationären Handel. Hinzu kommt das einzigartige Sortiment und Angebot des Museumss-hops im Römisch-Germanischen Museum. Dort finden unsere Kunden Literatur über die Römer, die Vor- und Frühgeschichte und viele Dinge die auch Kindern viel Spaß machen, wie zum Beispiel Ritterrüstungen und Holzschwerter, Schlüsselanhänger und Replikate römischer Münzen. Einmal jährlich findet im Mai das Museumsfest „Römer zum Anfassen“ statt. Dabei gibt es auch einen „echten“ Legionär, der in seiner Rüstung auftritt.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist der Kundenservice. Wir kümmern uns um jeden Kunden und seine Bedürfnisse und erfüllen fast alle seine Wünsche, wenn es für uns machbar ist. Die Besorgung antiquarischer Titel, die Internetrecherche und das Erstellen von Bücherlisten gehören auch zu unserem Kundenservice. Das zeigt sich auch in der handverlesenen Auswahl der Bücher in den Bereichen Literatur, Sachbuch und Kinderbuch sowie übergreifend, wenn religiöse Themen literarisch behandelt werden. So zum Beispiel jüngst in dem Roman von Toibin „Marias Testament“. Ein weiterer Punkt ist die gezielte Werbung. In den Katalogen „Theologie und Religion“, „Köln und Regionalia“ und im „RömerReport“ stellen wir die Neuerscheinungen aus diesen Bereichen zusammen und schicken sie in größerer Auflage an unsere Kunden, zudem erstellen wir Newsletter zur schnellen Information. Grundsätzlich legen wir Wert auf eine freundliche und offene Atmosphäre mit unseren Kunden und suchen auch das Gespräch mit ihnen.
Im Vordergrund Ihres Bücherangebots stehen neben einer sehr hohen Auswahl an Belletristik sowie Sach- und Theologiebüchern auch Bücher zur Religionspädagogik. Suchen junge Menschen auch solche Themen?
Unser Publikum ist im Durchschnitt älter, aber es gibt zunehmend auch jüngere Leser in allen Bereichen. Es gibt im Leben des Menschen immer wieder Berührungspunkte mit etwas Unbegreiflichem: Geburt, Leiden, Sterben, Freude; nicht nur im eigenen Leben, sondern auch in der Familie, bei Freunden und Bekannten und sicher auch im gesamten Weltgeschehen. Dort stellt sich dann auch die Frage nach Gott. Entsprechende Bücher können helfen, begleiten, raten, ermutigen. Das ist dann keine Frage des Alters.
Tatsache ist aber natürlich, dass es oft die Älteren sind, die religiöse Bücher suchen und kaufen, die sie dann an die jüngere Generation weitergeben. Junge Menschen kaufen religiöse Bücher zu konkreten Fragen und Themen. Taizé ist ein solches Thema oder die Vorbereitung der Trauung oder Taufe. Kirchlich engagierte Jugendliche suchen Hilfe bei der Vorbereitung von Gottesdiensten oder Gruppenstunden.
Haben Sie den Eindruck, Religion ist etwas für ältere Leute? Und die jungen Leute haben sich mit Apple, iPhone und Co. eine Ersatzreligion geschaffen?
Keineswegs ist Religion grundsätzlich nur etwas für ältere Menschen. Gerade bei jungen Menschen ist ein Suchen, eine Sehnsucht, ein „Durst“ zu finden, nach Sinn, Geborgenheit, Heimat. Die Antwort auf die Fragen suchen sie auch in der Religion. Auch junge Leute sind betroffen von Grenzsituationen und dem Unbegreiflichen, bei dem der Verstand nicht mehr reicht. Aber es stimmt auch, dass sich der Mensch die Frage nach Gott stellen muss. Viel-leicht aber ist es einfacher, bestimmte Situationen zu verdrängen. Und dann setzt man sich lieber mit seinem iPhone auseinander, als mit seinem Leben.
Für Jugendliche gibt es allerdings ein paar gute, interessante Titel, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Um ein paar Titel zu nennen: Bücher von Stephan Sigg, einem jungen Theologen, der klassische Themen wie „Sinn des Lebens“ oder „Zehn Gebote“ anpackt und sie altersgerecht und modern für junge Menschen erschließt. Der Titel „Gott braucht dich nicht“ von Esther Maria Magnis ist eine Bekehrungsgeschichte, die nicht mit Kritik spart, aber dennoch die Schönheit des Glaubens beschreibt. Ein Satz aus dem Buch beschreibt es bes-ser: „Ich weiß, dass es gute Gründe gibt, nicht zu glauben. Aber manchmal denke ich, die meisten Menschen sind einfach nur traurig, dass er nicht da ist.“
Und warum nicht eine „Jugendbibel“. Diese Bibelausgaben sind keine Textwüste. Zusätzliche Informationen zu Personen, Umwelt, Orte der Bibel und zu Politik und Religion zur Zeit der Bibel werden feuilletonistisch geschrieben und sind zum Verständnis hilfreich.
Ihre Kinderbücher weichen von den herkömmlichen Titeln der regulären Programme ab. Worauf legen Sie bei der Auswahl der Kinderbücher Wert?
Wir achten darauf, bestimmte Altersgruppen anzusprechen. Für die Altersklassen halten wir eine möglichst ansprechende Auswahl bereit. Klasse statt Masse heißt unsere Devise. Die Kinderbücher sind handverlesen – passend zur Werteausrichtung und dem Niveau der Köselschen Buchhandlung. Großen Wert legen wir auf die „Basics“, also Klassiker wie Lindgren, Kästner, Ende, Härtling. Natürlich gibt es bei uns auch die aktuellen Bestseller. Unsere Kinderbücher sind auch haptisch hochwertig. Da gibt es etwas zu fühlen, zu streicheln und zu hören. Meist sind unsere Kinder- und Jugendbücher gebundene Ausgaben, was noch einmal den Wert des Buches an sich unterstreicht.
Was bewirken Bücher im Gegensatz zu Computerspielen bei den Kindern und Jugendlichen? Es scheint für die junge Generation ein höherer Reiz darin zu liegen, Spiele am Computer live zu erleben und selbst mitwirken zu können, als ein spannendes Buch zu lesen.
Bücher entführen in eine andere Welt, sie lassen eine Welt im Kopf entstehen, sie wecken Gefühle und die eigene Phantasie. In diesem „Kopfkino“ werden Welten erschlossen, denen Kinder nicht mit wahllosem Klicken entkommen können. Denn es sind die eigenen Welten. Beim Computerspiel lebe ich in der Phantasiewelt eines anderen, alles ist mehr oder weniger vorgegeben. In Geschichten von Büchern hat meine Phantasie mehr Spielraum. Bücher be-rühren anders als ein Spiel, vielleicht intensiver. Das „Kopfkino“ geht weiter und hinterlässt Spuren. Bücher beleuchten Situationen aus einer anderen Perspektive und bewirken eine Selbstreflexion. Lesen fördert das Sprachgefühl und den Sprachwitz.
Was können Eltern aus Ihrer Sicht tun, um Bücher und auch Religionsthemen für die eigenen Kinder attraktiver zu machen?
Gutes Vorbild sein hilft nicht immer. Aber Eltern sollten nicht müde werden, ihren Kindern den Wert und auch die Schönheit eines Buches mit Seiten vor Augen zu halten. Kein Fest wie Geburtstag oder Weihnachten ohne ein Buchgeschenk! Eltern können durch die eigene Auseinandersetzung mit religiösen Themen passende Bücher dazu für ihre Kinder finden. Eltern sollten nicht aufhören, neugierig zu sein, mit ihren Kindern neugierig zu sein. Miteinander zu reden und gemeinsam nach Antworten auf Fragen zu suchen. Es gibt zahlreiche Vorlesegeschichten, gerade für kleine Kinder. Gerade die vorweihnachtliche Zeit bietet sich zum Vorlesen an. Es gibt Bücher, da entwickelt sich die Geschichte mit jedem Tag weiter und oft kann dazu etwas gebastelt werden. Durch die Medien werden auch Kinder mit zahlreichen Themen konfrontiert, fremde Religionen, Tod, Krieg, Schöpfung und Bewahrung der Schöpfung. Zu vielen solchen Themen gibt es Bücher. Eltern können über Bücher und Ge-schichten Probleme und spezielle Themen erarbeiten und auch verarbeiten. Wir können El-tern nur ermutigen, mit ihren Kindern Buchhandlungen aufzusuchen und sie in Ruhe stöbern zu lassen. Bei uns sind sie herzlich willkommen.
Roncalliplatz 2
50667 Köln
Tel.: 0221 / 27272125
Fax: 0221 / 254197
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