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Autonomes Kleingärtnern am Heckpfad

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Am Heckpfad treffen unterschiedlichste Baustile und Lebensentwürfe zusammen

Viele haben ganz konkrete Vorstellungen davon, wie und wo sie leben wollen. Das eigene Heim steht dabei seit Jahrzehnten unverändert ganz oben auf der Wunschliste. Nicht umsonst entstehen weiterhin überall in Deutschland Neubaugebiete mit adretten Einfamilien- und Reihenhäusern – in Köln zum Beispiel in den Stadtteilen Lövenich und Widdersdorf.

Doch selbst dann, wenn die Finanzen den Bau eines Hauses erlauben, stoßen die Vorstellungen vom Traumhaus oft mit der schnöden Realität der Bürokratie zusammen. Bauvorschriften und Bebauungspläne regeln haarklein, wie hoch ein Gebäude sein darf, welchen Abstand es zur Straße haben muss und wie es genutzt werden darf. Wer in Deutschland baut, muss fast zwangsläufig Abstriche von den eigenen Wünschen machen.

Wie anders deutsche Vorstädte aussehen könnten, wenn man die Bewohner machen ließe, lässt sich an der Siedlung am Heckpfad in Weidenpesch beobachten.

Ungefähr fünf Kilometer Luftlinie vom Dom und der Innenstadt entfernt, liegen hier etwa hundert Häuser isoliert in einem unerschlossenen Niemandsland zwischen einer kleinen Hochhaussiedlung, einer Bahntrasse, einem Friedhof und einem Naturschutzgebiet. Auf den ersten Blick mutet sie an wie eine Mischung aus „Balkanvorstadt und schlesischem Dorf“, wie es der Kölner Künstler und Stadtführer Boris Sieverts ausdrückt. Niedrige Bungalows mit Teerpappendächern stehen neben villenartigen Einfamilienhäusern, Holzfassaden treffen auf grobes Mauerwerk und einfache Betonbauten, in deren Fenstern weiße Vorhänge leuchten. Die unterschiedlichsten Baustile treffen hier zusammen, vieles ist improvisiert und selbstgebaut. Auch scheinen hier die verschiedensten Lebensentwürfe nebeneinander zu existieren: Während im Vorgarten des einen Brombeerhecken wuchern, bevorzugt der andere akkurat gestutzten Rasen, der nächste baut Gemüse an und im Garten gegenüber weisen achtlos verstreute Spielzeuge auf die Anwesenheit von Kindern hin – eine wilde Mischung.

Im städtischen Bebauungsplan nicht vorgesehen

In der Tat ein gutes Stichwort, denn der Heckpfad ist eine der letzten „wilden“ Siedlungen Deutschlands. Die entstanden vor allem nach dem zweiten Weltkrieg: Angesichts der Wohnungsnot in den ausgebombten Städten verpachteten Grundbesitzer ihr Land an Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer, auf dem diese anschließend selbst provisorische Unterkünfte errichten konnten. Am Heckpfad begannen die Bautätigkeiten ab 1950, hier war es eine Ziegelei, die ihr Land an Wohnungslose abgab. Ursprünglich waren diese Siedlungen nur als Notlösung für den Übergang gedacht und vielerorts wurden sie in den 1960er und 1970er Jahren wieder abgerissen, als ausreichend moderner Wohnraum zur Verfügung stand. In Köln jedoch hat sich dieses Provisorium bis heute erhalten. Mit den Jahren bauten die Bewohner ihre ursprünglichen Fertigteilhäuser immer wieder um oder erweiterten sie, indem sie neue Räume anbauten, oder weitere Gebäude auf ihren Grundstücken errichteten. Und das, ohne sich um Vorschriften oder Baugenehmigungen zu kümmern. „Ich weiß noch, wenn wir damals den Zement gemischt haben, haben wir immer nach den Leuten vom Bauamt Ausschau gehalten – und wenn einer kam, haben wir uns einfach im hohen Gras versteckt“, erinnert sich eine ältere Bewohnerin. Denn offiziell war das Areal nie als Baugrund vorgesehen, im Bebauungsplan der Stadt ist es nach wie vor als Gartenland ausgewiesen.

Heute leben hier etwa 300 bis 400 Menschen – illegal, aus Sicht der Stadtverwaltung. Doch hat sie es bisher vorgezogen, wegzusehen. Vielleicht, weil hier vor allem Durchschnittsbürger leben, die sich ruhig verhalten: Handwerker, Bauarbeiter, Krankenschwestern, Rentner, Familien mit Kindern. Bei vielen hängen noch die Deutschland-Flaggen von der WM in den Fenstern, vor den Garagen stehen Mittelklasse-Wagen als Statussymbole. Autonome Weltverbesserer und akademisch gebildete Aussteiger findet man hier eher nicht.

Die Natur direkt vor der Haustür

Doch die Freiheit am Heckpfad bringt auch Nachteile mit sich. Die Siedlung ist nicht nur räumlich vom Rest der Stadt abgeschnitten, sondern auch die üblichen Segnungen der Zivilisation, wie etwa der Anschluss an die Versorgungsnetze der Stadt, sind hier nicht selbstverständlich. So gehört der Gastank im Vorgarten fast zur Grundausstattung, auch war die Siedlung jahrzehntelang nicht an die Wasserversorgung angeschlossen. Stattdessen hatten die Bewohner Brunnengemeinschaften gebildet. Inzwischen gibt es zwar fließendes Wasser, doch an das Abwassernetz sind die Häuser immer noch nicht angeschlossen. Hinzu kommt, dass die Bewohner der Siedlung von ihren Nachbarn in den umliegenden Vierteln sozial stigmatisiert werden. Hier würden Asoziale leben, heißt es. Tatsächlich sind sowohl das durchschnittliche Bildungsniveau als auch das Einkommen der Bewohner relativ gering. Viele müssen hier mit durchschnittlich tausend Euro im Monat eine Familie ernähren. Ein Quadratmeterpreis von 25 Cent ist da auch ein ganz handfestes Argument für das Leben als „Landbesetzer“.

Doch wirtschaftliche Gründe allein können die Langlebigkeit der Siedlung nicht erklären. Tatsächlich scheinen sich die Bewohner mit ihrer Siedlung verbunden zu fühlen. Manche der Familien leben bereits in der dritten Generation hier – zum Teil kehren die Kinder auch als Erwachsene wieder hierher zurück. „Wir leben gerne hier“, bestätigt eine Anwohnerin. „Hier ist es ruhig, trotzdem bin ich schnell in der Stadt, wenn ich etwas brauche. Und mit dem Baggerloch haben wir auch die Natur direkt vor der Haustür.“

Was die Zukunft der Siedlung angeht, gibt es widersprüchliche Signale. Einerseits hatte die Bezirksvertretung Nippes erst vor zwei Jahren einen Antrag gestellt, die Siedlung auch ans Abwassernetz anzuschließen, um ihren Erhalt zu gewährleisten. Andererseits lässt die Stadtverwaltung die Häuser von verstorbenen oder weggezogenen Bewohnern versiegeln, damit keine neuen Bewohner nachrücken. Es wird sich zeigen, ob diese seltene Form alternativen Wohnens Bestand haben kann.

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