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Auch die Kölner Südstadt
hat jetzt ein „Fairstore“

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Total entspannt auf Schnäppchenjagd

Die Mitarbeiter nennen ihr Sozialkaufhaus scherzhaft „Südstadt-Boutique“: weil die Kundschaft hier nicht nur auf den Preis, sondern auch aufs Label schielt. Ein Besuch im „Fairstore“ an der Severinstraße. Von Sebastian Züger –  Die Kundin hat Kuchen mitgebracht. „Ich komme fast jeden Tag hierher und hoffe, dass ich nichts finde“, sagt sie augenzwinkernd. Über ihrem Arm hängen allerdings schon zwei Teile: ein knallroter Blazer und eine schwarze Bluse mit weißen Pünktchen. Sie darf sich aber auch was gönnen heute – sie hat Geburtstag.

Außer in der Südstadt betreibt die Diakonie Michaelshoven auch in Kalk, Mülheim und Nippes „Fairstores“, sogenannte Sozialkaufhäuser. Das Sortiment umfasst Kleidung, Möbel, Spielzeug, Bücher und Haushaltswaren überwiegend aus zweiter Hand, teilweise aber auch fabrikneue Restposten oder Ware aus Überschussproduktion. Je nach Kundenumfeld und räumlichen Gegebenheiten variiert das Angebot. Im Südstadt-Store beispielsweise ist im Unterschied zu Kalk wenig Platz für Möbel, dafür hat die Kundschaft mehr im Portmonee und kauft dementsprechend anders ein. Die ersten Wochen seit der Eröffnung zeichnen ein klares Bild: „Im Rechtsrheinischen zählt allein der Preis, viele Menschen haben wirklich fast überhaupt kein Geld“, erklärt Moreen Nieswand vom Team Filialleitung. „Rund um die Severinstraße sind die Leute vergleichsweise kaufkräftig. Viele hoffen einfach, bei uns ein schönes Markenteil besonders günstig zu ergattern.“

In das ebenerdig gelegene Ladenlokal fällt viel Tageslicht, es dominiert die Farbe Weiß. Oben gibt es vor allem Damenbekleidung, um die Neugier des Laufpublikum zu wecken, im Souterrain Haushaltswaren, Sportkleidung und Möbel. Die Einrichtung hat die Diakonie vom Vorbesitzer übernommen, sie wirkt ein wenig edler, als man es von anderen Second-Hand-Shops kennt. „Manche Kunden merken anfangs gar nicht, dass sie hier in einem Sortiment aus überwiegend zweiter Hand stöbern“, sagt NIeswand.

Dennoch und trotz der Auflagen des Trägers, zumindest mittelfristig wirtschaftlich, also kostendeckend zu arbeiten, hat auch das Südstadt-Fairstore in erster Linie einen sozialen Auftrag. Nieswand: „Wir sind und bleiben ein integrierter Betrieb.“ Die Mehrheit der insgesamt rund 60 Mitarbeiter (20 in den vier Stores, 40 im Zentrallager, wo die Kleiderspenden sortiert und geprüft werden) stammt aus beruflichen Fördermaßnahmen, ist in physischer oder psychischer Hinsicht beeinträchtigt oder in Folge einer schweren Erkrankung nicht mehr in der Lage, ihren eigentlichen Beruf auszuüben.

„Für die meisten, die bei uns anfangen, ist es der erste Job im Einzelhandel. Sie müssen das Verkaufshandwerk von Grund auf erlernen.“ Eine große Herausforderung also für Nieswand, die früher als Modedesignerin selbstständig war, und engagierte Mitarbeiter wie Mario Schaeben. Der 52-jährige ist die große Ausnahme von der Regel. Vor seiner Anstellung im Südstadt-Fairstore arbeitete er 14 Jahre lang bei einem Haushaltsdiscounter. Den Job bei der Diakonie fand er ohne die Hilfe der Arbeitsagentur oder sonstiger Förderinstitutionen. „Ich bin durch Zufall darauf gestoßen und dann habe ich mich einfach beworben.“

Für Moreen Nieswand ist seine Erfahrung Gold wert. „In so einem Laden hast du den ganzen Tag zu tun: Du musst freundlich zu den Kunden sein, ihnen hinterher räumen, neue Ware ansprechend präsentieren“, sagt Schaeben. „Viele Neueinsteiger haben sich darüber vorher überhaupt keine Gedanken gemacht.“ Dennoch klagt er nicht, im Gegenteil: „Das ist ein total entspannter Job hier.“ Und an manchen Tagen bringen die Kunden sogar Kuchen vorbei.

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